Forum Archivrecht der Archivschule Marburg zu amtlichen Unterlagen in Parteiarchiven


Teils seit vielen Jahrzehnten befinden sich wesentliche Teile von Politikernachlässen in Archiven parteinaher Stiftungen oder auch in privater Obhut, und zwar auch dann, wenn es sich um Unterlagen aus amtlicher Tätigkeit handelt. Viel diskutiert wird zum Beispiel über die Nachlässe der Bundeskanzler Helmut Schmidt und Helmut Kohl, doch die gleichen Fragestellungen treten auch auf kommunaler und auf Landesebene auf. Und weil es sich um Problem des Verhältnisses von Staat und Parteien handelt, ist auch das Selbstverständnis des demokratischen Rechtsstaats betroffen.

Nach der Eröffnung durch die Leiterin der Archivschule, Dr. Irmgard Christa Becker, widmete sich der Archivrechtler Prof. Dr. Thomas Henne einem aktuellen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Thema der Tagung. Prof. Dr. Ewald Grothe vertrat die Friedrich-Naumann-Stiftung und bejahte die im Tagungstitel gestellte Frage, weil eine Trennung zwischen amtlich/nicht-amtlich kaum durchführbar sei, und diese Archivierung sei auch zulässig. Beiden Thesen widersprach der Präsident des Bundesarchivs, Dr. Michael Hollmann: Es gäbe zwar einen „Graubereich“ zwischen amtlichen und nichtamtlichen Unterlagen, über den verhandelt werden müsse. Im Übrigen seien aufgrund der Anbietungspflicht für amtliche Unterlagen staatliche Archive zuständig.

Birgit Krüger-Penski präsentierte eine archivübergreifende, kooperative Lösung der Helmut-Schmidt-Stiftung für den Nachlass des Altkanzlers. Anschließend beschrieb Prof. Dr. Frank Bösch als Vertreter des Verbandes der Historikerinnen und Historiker seine Erfahrungen als recherchierender Archivnutzer. Er machte deutlich, dass für die Historiker die Zugänglichkeit der Unterlagen und die Gleichbehandlung beim Zugang im Vordergrund stehen. Dr. Marc Steinert von der Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim Deutschen Städtetag brachte die Position der Kommunalarchive ein. Hier wurde deutlich, dass Nachlässe von kommunalen Amtsträgern in den parteinahen Stiftungsarchiven selten sind. Die Historikerin und Journalistin Dr. Gabriele Weber berichtete zusammen mit ihrem Rechtsanwalt Raphael Thomas über das aktuelle Gerichtsverfahren gegen das Bundeskanzleramt, das die von Frau Weber gewünschten Unterlagen in den 1960er Jahren an das Archiv einer parteinahen Stiftung abgegeben hatte. Dr. Jost Müller-Neuhof, rechtspolitischer Korrespondent des Tagesspiegels, informierte über ein paralleles Gerichtsverfahren, in dem er vom Bundeskanzleramt Auskunft darüber verlangt, welche amtlichen Unterlagen in den letzten Jahren und Jahrzehnten an Private und Archive der parteinahen Stiftungen abgegeben wurden. Weiterlesen

Archivwissenschaftliche Online-Publikationen der Archivschule Marburg

Die Archivschule Marburg hat unlängst – leider nur einige – vergriffene Werke ihrer Schriftenreihe onlne gestellt:

Becker, Irmgard Ch.; Oertel, Stephanie (Hrsg.): Digitalisierung im Archiv – Neue Wege der Bereitstellung des Archivguts. Beiträge zum 18. Archivwissenschaftlichen Kolloquium der Archivschule Marburg, 2015, 276 S. PDF-Version Weiterlesen

LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum (LVR-AFZ) begründet neue Publikationsreihe

Im Arbeitsalltag des LVR-AFZ, im Rahmen der archivischen Fachausbildung sowie in Kooperationsprojekten mit verschiedenen Partnern entstehen immer wieder kleinere Abhandlungen, Qualifikations- und Projektarbeiten, die als Beiträge zu aktuellen Themen archivischer Arbeit auch für einen breiteren Kreis von Rezipientinnen und Rezipienten von Interesse sind. Um solche Arbeiten adäquat publizieren und präsentieren zu können, hat die Archivberatung eine neue Reihe begründet: „Archivistik digital“.
Als elektronische Publikationen sind die Bände von „Archivistik digital“ ab sofort das Medium der Wahl, um zeitnah Arbeitsergebnisse zu präsentieren, die an Umfang und Bedeutung über einfache Handreichungen, Mitteilungen oder Empfehlungen hinausgehen. Die Reihe tritt ergänzend neben die Archivhefte, in denen das LVR-AFZ weiterhin Tagungsdokumentationen und monographische Arbeiten präsentieren wird.
Der erste Band präsentiert einen Leitfaden zum Urheberrecht, den die Juristin Alexandra Zilles im Rahmen des LVR-Trainee-Programms für das Archiv des LVR erarbeitet hat. Beim zweiten Band handelt es sich um ein von Riccarda Henkel, Angelika Neugebauer, Gregor Patt und Peter K. Weber, LVR-AFZ, erstelltes Dokumentationsprofil zum Umgang mit Schulunterlagen.
Quelle: LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum (LVR-AFZ), Aktuelles

Auswirkungen des Wissenschaftsurheberrecht in Kommunalarchiven

Links zu 2 Blogeinträgen

Nachdem das Stadtarchiv Darmstadt seine Vorgehensweise in Anbetracht des neuen Urheberrechts dargelegt hat, erfuhr dieser Eintrag eine scharfe Zurückweisung durch Archivalia. Beide Einträge verdeutlichen die komplexen archiv- bzw. urheberrechtlichen Herausforderungen an die meist kleinen Kommunalarchive im Kreisgebiet.

Verband Deutscher Erbenermittler (VDEE®) gegen die Vernichtung von Erbnachweisen und Testamenten

„Derzeit gilt für Testamente und andere Erbnachweise eine Aufbewahrungsfrist von 100 Jahren. Aus Sicht des VDEE ist diese Frist deutlich zu kurz bemessen und führt zu schwerwiegenden Rechtsnachteilen insbesondere für testamentarische Erben. Sie stellt zugleich einen Verstoß gegen das im Grundgesetz garantierte Erbrecht gem. Art. 14 Abs. 1 GG dar. Ältere Verfügungen von Todes wegen haben unabhängig von ihrem Alter Bedeutung für Erben zum Nachweis des Erbrechts. Sehr häufig betrifft dies Fälle in den neuen Bundesländern, bei denen Grundbücher kriegs- und teilungsbedingt über Jahrzehnte unberichtigt geblieben sind. Diesem Personenkreis ist der Nachweis der Erbfolge nicht mehr möglich, wenn die Verfügungen von Todes wegen nicht mehr über einen längeren Zeitraum als 100 Jahre aufbewahrt werden. Auch die Übernahme der Akten in die Landesarchive ist nach gegenwärtiger Rechtslage nicht gewährleistet. Archive können aktuell selbst entscheiden, ob sie die Gerichtsakten für archivwürdig halten oder nicht. Weiterlesen

Bundesarchiv fordert Nachlass von Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl

via Archivalia, 26.6.2017

„Der Nachlass des verstorbenen Altkanzlers Kohl ist begehrt. Laut Testament soll sich seine Witwe um in Oggersheim verbliebene Dokumente kümmern. Per Brief schaltete sich nun der Leiter des Bundesarchivs ein und forderte die Herausgabe von Akten. […]

Hollmann stelle Kohl-Richter die Herausgabe privater Unterlagen in dem Brief anheim, berichtete die „WamS“. In klaren Worten fordere er aber die „Weiterleitung“ des staatlichen Schriftgutes.“ (Tagesschau.de)

Siehe auch
Rita Lauter, Was wird aus Helmut Kohls Nachlass?, Die Zeit, 22.6.2017
Klaus Wiegrefe, Wettlauf um die Kohl Akten, Der Spiegel, 26.6.2017 mit weiteren Links

Frühjahr der Archivnormen

In diesem Frühjahr erschienen 2 für alle Archive wichtige Normen: erstmals existiert ein Norm für Archivbau, zudem wurde die Norm zur Unterbringung von Archivgut überarbeitet.

      • Anfang Mai ist die neue DIN 67700 „Bau von Bibliotheken und Archiven – Anforderungen und Empfehlungen für die Planung“ erschienen, welche nun den DIN-Fachbericht 13 „Bau- und Nutzungsplanung von Bibliotheken und Archiven“ aus dem Jahr 2009 ersetzt. Mit der DIN 67700 liegt erstmals eine Norm speziell für die Planung von Bibliotheken und Archiven vor. Sie behandelt unter anderem den Flächenbedarf und die baulich-technischen Anforderungen für die archivspezifischen Funktionsbereiche und Nutzungsflächen. Die Vorgaben gelten sowohl für den Neubau von Archiven als auch für die Umnutzung von Gebäuden oder Räumen und können künftig die Argumentation und Kommunikation gegenüber Unterhaltsträgern, Architekten und Fachplanern erheblich erleichtern.
        Inhaltsverzeichnis: https://www.beuth.de/de/fachgebiete/normung-technische-grundlagen-messwesen/fachdaten-einzelsicht/wdc-beuth:din21:270754054/toc-2643913/download

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Literaturhinweis: „Archivrecht für die Praxis. Ein Handbuch“

„Entlang der archivarischen Fachaufgaben stellen Archivar*innen die wichtigsten Rechtsfragen des Archivwesens praxisnah dar. Eingerahmt werden die fachlichen Kapitel durch einen historischen Überblick, eine Einordnung in den Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland und ein Stichwortverzeichnis.
Der Band wurde herausgegeben von Irmgard Christa Becker und Clemens Rehm.

Die Gliederung anhand der Fachaufgaben soll den Mitarbeiter*innen der Archive und den am Archivrecht Interessierten die Möglichkeit geben, bezogen auf ihre archivfachlichen Fragestellungen die dazu gehörigen Rechtsfragen und die möglichen Antworten rasch aufzufinden.“

Bibliographische Angaben:
hgg von Irmgard Christa Becker und Clemens Rehm. Berliner Bibliothek zum Urheberrecht, hgg. von Stefan Haupt, Band 10, München 2017. Ca. 270 Seiten. ISBN: 978-3-945939-07-9.

Quelle: Verlagswerbung

Bundesarchivgesetz in 2. und 3. Lesung morgen im Bundestag

Konträre Stellungnahmen von Bundesregierung und Journalistenverbänden

„Der Deutsche Bundestag wird am morgigen Donnerstag nach zweiter und dritter Lesung über den Gesetzentwurf zur Neuregelung des Bundesarchivrechts abstimmen.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters: „Durch die Neuregelungen erleichtern wir Wissenschaftlern und Journalisten, aber auch Privatpersonen den Zugang zu dem ungeheuren Fundus an Wissen, der in den Dokumenten und Unterlagen des Bundesarchivs gesichert ist. Gleichzeitig machen wir dieses Gedächtnis unseres Staates stark für die Erfordernisse des digitalen Zeitalters – etwa durch die Einrichtung eines digitalen Zwischenarchivs, das die Bundesbehörden entlastet und das Bundesarchiv in die Lage versetzt, frühzeitig und fachgerecht für eine digitale Langzeitarchivierung zu sorgen. Damit ist das Bundesarchiv gut aufgestellt, um auch in Zukunft seiner Kernaufgabe gerecht zu werden: Transparenz und Überprüfbarkeit staatlichen Handelns sicherzustellen.“ Weiterlesen