Zur Lage der Hochschularchive in NRW

Ein Gastbeitrag von Dr. Hendrik Friggemann, Leiter des Universitätsarchivs Duisburg-Essen & Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Hochschularchive in Nordrhein-Westfalen

Mit insgesamt 68 Universitäten und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, staatlichen Kunst-​ und Musikhochschulen, privaten, kirchlichen und Verwaltungshochschulen besitzt das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) eine vielfältige Hochschullandschaft mit einem reichen kulturellen Erbe. Diese Überlieferung ist nicht allein Spiegel für das enge Feld der Bildungs- und Wissenschaftsgeschichte, sondern auch Beleg für die großen gesellschaftspolitischen Entwicklungen des Bundeslandes.

Für die dauerhafte Sicherung und Nutzbarmachung dieses Erbes sind die Universitäten und Fachhochschulen des Landes auf Grundlage des Archivgesetzes NRW selbst in der Verantwortung – unschwer vorstellbar also, dass sich sehr unterschiedliche Lagen hinsichtlich der Wahrnehmung des Archivierungsauftrags ergeben In diesem Beitrag möchte ich die aktuellen Herausforderungen, Risiken und Gefahren, aber auch die Chancen für das Hochschularchivwesen in NRW skizzieren.

Die Lage zur Sicherung des kulturellen Erbes an den Hochschulen

Grob einordnen lassen sich die heute existierenden 14 Universitäten und 16 Fachhochschulen in NRW mit eigenverantwortlichem Archivierungsauftrag hinsichtlich ihrer zeitlichen Entstehung in folgende Gruppen [1]:

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    • die verhältnismäßig kleine Gruppe der „alten“ Universitäten, die vor 1945 errichtet wurden. Hierzu zählen die RWTH Aachen (gegr. 1870), die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (gegr. 1818), die Universität zu Köln mit ihren Wurzeln im Mittelalter und der Neugründung 1919 sowie die Westfälische Wilhelms-Universität Münster (gegr. 1780).
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    • die in den 1960er Jahren errichteten Universitäten. Hintergrund für die Neugründungen in diesem Zeitraum an den Standorten Bielefeld, Bochum, Düsseldorf und Dortmund waren der Sputnikschock von 1957, die Erkenntnis in der Politik, dass die seit Jahren steigende Zahl von Studierenden keine Ausnahme, sondern die Regel bilden würde, die Kohlekrise Ende der 1950er Jahre sowie die 1964 von Georg Picht ausgelöste Diskussion um die „deutsche Bildungskatastrophe“.
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    • gesondert ist außerdem die Deutsche Sporthochschule zu nennen, die vor dem Zweiten Weltkrieg in Berlin ansässig war, 1947 in Köln neu gegründet und 1970 in den Rang einer wissenschaftlichen Hochschule erhoben wurde.
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    • die im Zuge der Bildungsreform zu Beginn der 1970er Jahre gegründeten Hochschulen neuen Typs. 1971 wurde zunächst die stark ausdifferenzierte Fachschullandschaft in Nordrhein-Westfalen (v.a. staatliche Ingenieurschulen, Werkkunstschulen) in die über das ganze Bundesland verteilten 15 neuerrichteten Fachhochschulen überführt. Nur ein Jahr später folgte die Gründung der für NRW typischen Gesamthochschulen an den Standorten Duisburg, Essen, Paderborn, Siegen und Wuppertal, 1974 ergänzt um die Fernuniversität Hagen. Diese Einrichtungen wurden 2003 – unter Fusion der beiden Hochschulen in Duisburg und Essen – in Universitäten umgewidmet.

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„Löschmoratorium“ der Afghanistanakten

Gemeinsame Stellungnahme von Bundesarchiv, VdA und VHD

In einer gemeinsamen Stellungnahme äußern sich der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD), der VdA und das Bundesarchiv zum „Löschmoratorium“ der Afghanistanakten. Dieses Moratorium wurde im Bundestag abgelehnt.

Um wichtige Themen wie die Afghanistankrise aufarbeiten zu können, sind auch spätere Historikerinnen und Historiker zwingend auf die Rekonstruktion der internen Kommunikation angewiesen, auch wenn sie digital geschieht. Prinzipiell sind die Vorgaben des Bundesarchivgesetzes für die Archivierung von Dienstakten und Kommunikationsmedien ausreichend. Allerdings fehlt es an dem Bewusstsein, dass auch über Messengerdienste ausgetauschte Informationen nach dem Gebot der Aktenmäßigkeit der Verwaltung in den Dienstakten zu dokumentieren sind.

Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands e.V. (VHD), der VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. und das Bundesarchiv fordern daher eine größere Sorgfaltspflicht bei der Aktenabgabe

Sicherheit für Archivmaterial im Kreis Altenkirchen

Landtagsabgeordneter Michael Wäschenbach kündigt „Runden Tisch“ an

In jüngster Zeit erreichen den heimischen Landtagsabgeordneten Michael Wäschenbach nach dessen Aussage „vermehrt Anfragen bezüglich der Entwicklungen kommunaler Archive“. Da viele Dokumente nur sehr schwer auffindbar seien, will Wäschenbach nun einen Runden Tisch, der sowohl die verantwortlichen professionellen Archivare als auch die in den heimischen Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätigen Bürger, „die sich um die Geschichte ihrer Orte kümmern“, zusammenbringen. In diesem Zusammenhang hatte sich Wäschenbach in einer kleinen Anfrage an die Landesregierung danach erkundigt, inwieweit die Zuständigkeiten geregelt seien und wo genau das Archivmaterial der einzelnen Orte gelagert wird. „Wie hoch ist die Anzahl der rheinland-pfälzischen Kommunen, die die zentralen Landesarchive für die Unterbringung ihrer Archivalien nutzen; wie können beim Betrieb von privaten Initiativen der Datenschutz und ein hohes Auskunftsniveau für die Öffentlichkeit gewährleistet werden?“ heißt es etwa in zwei der sieben Fragen, die für Wäschenbach auch gerade angesichts der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal übergeordnete Bedeutung haben. Weiterlesen

#BTW21: 6 aus 48 – „Archiv“ in den Wahlprogrammen der Parteien

Am 26. September wird der neue Bundestag gewählt. Siwiarchiv wirft einen Blick in die Wahlprogramme zur Bundestagswahl 2021 der Parteien auf der Suche nach Archivischem:
1) Fehlanzeige: SPD, FDP, AfD, CSU, Tierschutzpartei, Volt Deutschland, BGE (Bündnis Grundeinkommen), SSW, Der III. Weg, BüSo, Liberal-Konservativen Reformer, Menschliche Welt, ÖDP, Bündnis C – Christen für Deutschland, Ab jetzt… Demokratie durch Volksabstimmung Politik für die Menschen, Die Partei, Bayernpartei, DKP, Die Grauen (Kurzfassung), Partei für Gesundheitsforschung, Partei für Kinder, Jugendliche und Familien – Lobbyisten für Kinder, die Basis, Team Todenhöfer, die urbane, Europäische Partei LIEBE, Demokratie in Bewegung, SGP, diePinken/Bündnis21, Partei des Fortschritts, die bergpartei, MLPD, Gartenpartei, dieBasis, Bürgerbewegung für Fortschritt und Wandel, UNABHÄNGIGE für bürgernahe Demokratie, Familien-Partei Deutschlands, Graue Panther, Klimaliste Baden-Württemberg, Thüringer Heimatpartei, V–Partei³ – Partei für Veränderung Vegetarier und Veganer, NPD, DIE SONSTIGEN – X Weiterlesen

Landesregierung NRW beschließt Kulturgesetzbuch

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat in dieser Woche den Gesetzentwurf des Kulturgesetzbuchs NRW beschlossen. Dieser wird nun in erster Lesung kommende Woche im Parlament diskutiert. Dazu erklärt unser kulturpolitischer Sprecher Bernd Petelkau: „Das Kulturgesetzbuch für Nordrhein-Westfalen ist ein kulturpolitisches Highlight. Es ist das erste in ganz Deutschland und wird die Situation von Künstlern verbessern. CDU und FDP geht es darum, Kultur in unserem Land noch sichtbarer zu machen.
In den vergangenen Monaten hat die NRW-Koalition mit denjenigen konstruktive Gespräche geführt, für die das neue Gesetzbuch gedacht ist. Herausgekommen sind moderne rechtliche Rahmenbedingungen für die Kultur in Nordrhein-Westfalen. Dazu sollen im Kulturgesetzbuch kulturrelevante Gesetze zusammengeführt werden, analog zum Sozialgesetzbuch. Ein einheitliches und übersichtliches Regelwerk, befreit von unnötiger Bürokratie.
Das Kulturgesetzbuch schränkt nicht ein, sondern schützt, fördert und stärkt die Kulturschaffenden. Wir erhöhen die finanziellen Mittel substanziell (seit 2017 um 100 Millionen Euro), Bibliotheken werden gefördert, qualitativ gute Musikschulen geschützt und freie Künstler sollen die Sicherheit von festen Honoraruntergrenzen bekommen, Vollzeitstellen werden geschaffen und sozialversicherungspflichtige und tarifgebundene Beschäftigungsverhältnisse angestrebt.
Kunst und Kultur in NRW und das ehrenamtliche Engagement, das damit zusammenhängt, verdienen unsere Wertschätzung mit einem guten Kulturgesetzbuch.“

Hintergrund: Weiterlesen

Linktipp: Anmeldung zum ArchivCamp freigeschaltet

Nach der Tagung ist vor der Tagung. Das diesjährige Archivcamp des VdA- Arbeitskreises “ Offene Archive“ findet rein digital am 29. und 30. April statt. Anmeldungen sind ab sofort möglich: https://archive20.hypotheses.org/10067

Archive unter dem Radar

Offener Brief des VHD an Monika Grütters und Anja Karliczek

„Der VHD hat angesichts der großen Herausforderungen, welche die Corona-Pandemie für die archivgestützte historische Forschung bedeutet, einen offenen Brief an die Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütters, und an die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek, gerichtet.

Offener Brief als PDF Weiterlesen

Kirchener Heimatverein betreut ein ausgewachsenes Archiv

„Wenn die Menschen in Kirchen und Umgebung an den Kirchener Heimatverein denken, dann fällt ihnen zuerst das Museum im alten Kirchener Ortsteil Inken ein und dann natürlich der Heimattag mit seinen vielfältigen Angeboten des Zusammenseins, Erlebens und Genießens. Manche weisen auch auf das gerade wieder erschienene Heimatblatt hin und auf die eine oder andere Veranstaltung der Heimatgeschichtler – aber dann ist meistens Schluss. Dabei stemmt der Heimatverein laut eigener Presseinfo seit etlichen Jahren eine zweite Mammutaufgabe: das Archiv der Stadt Kirchen.

„Es war ja anfangs nur eine lose Sammlung interessanter Dokumente, Zeitschriften oder Bücher, doch inzwischen hat sich die Angelegenheit zu einem echten Archiv ausgewachsen“, erklärt Vorsitzender Hubertus Hensel. „In den Regalen lagert längst eine Fülle von Dokumenten, ob Briefe, Urkunden, Rechnungen, Fotos und wichtige Schriften, die quasi das Gedächtnis der hiesigen Region darstellen.“ Dazu gehören auch die Akten, die ehemals noch im Rathaus gelagert wurden. Auch der Aktenbestand der Verbandsgemeinde fand seinen Weg in die speziellen Kartons des Archivs, das sich seit einigen Jahren ausschließlich im Museum befindet. Weiterlesen

Video: Gaby Weber „Ewig Geheim – Kollateralbelastung Demokratie“

Zugang zu historischen Akten des BND und des Bundeskanzleramtes

„Mit Taschenspielertricks versuchen gerade Bundesnachrichtendienst und Kanzleramt, ihre Akten dem Zugriff der Öffentlichkeit zu entziehen. Ohne die zeitliche Begrenzung von maximal 60 Jahren, wie es im Gesetz steht. Für alle Ewigkeit. Dokumente aus den fünfziger Jahren werden bis mindestens 2042 für streng geheim erklärt. Bei denen geht es um die Rolle der gerade gegründeten Bundeswehr in der NATO und um Abrüstungsvorschläge aus der Sowjetunion. Die Akten des BND, die ich im Rahmen meiner Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht teilweise geschwärzt erhalten hatte, sollen weiter geheim bleiben. Kanzleramt und BND wollen jetzt Geheimhaltung bis auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zementieren, durch interne Anweisungen, im Hinterzimmer fabriziert.“

s. dazuHomepage Gaby Weber, Prozesse

Sachstand: Evaluierung des Archivgesetzes NRW (2018 – 2026)

Auf eine unverbindliche Anfrage zum Stand der Evaluierung des Archivgesetzes NRW erhielt siwiarchiv folgende Antwort:


Kommentar: § 13 ArchivG NRW: beinhaltet seit der Neufassung des Gesetzes im Jahr 2014 folgende Bestimmung: “ …. Die Landesregierung berichtet dem Landtag bis zum 31.12.2019…..“ .

In der Parlamentsdatenbank des Landtages NRW lässt sich eine solche Berichterstattung nicht nachweisen. Lediglich in der „Arbeitsplanung der Landesregierung für das Jahr 2018 im Bereich Kultur“ findet sich folgender Hinweis: “ ….Archivgesetz
Unter anderem veranlasst durch das Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung ist für 2018 eine Novellierung des Archivgesetzes geplant.“. Die Planungen wurden am 8. März 2018 dem Kulturausschuss vorgestellt – s. Sitzungsniederschrift.

Die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1402 vom 30. August 2018 des Abgeordneten Matthi Bolte-Richter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) stellt am 8. Oktober 2018 fest (s. 5):“ …. Folgende Gesetze werden zurzeit überarbeitet: …. Archivgesetz NRW ….“

In Mark Steinert: „Datenschutz-Grundverordnung und öffentliche Archive“, in: Städte- und Gemeinderat 11(2019) findet sich folgende Sachstandsschilderung (S. 6): “ …. Ein entsprechendes Verfahren zur Änderung des Archivgesetzes Nordrhein-Westfalen (ArchivG NRW) läuft derzeit. Nach Abschluss der Ressortabstimmung waren unter anderem die kommunalen Spitzenverbände und die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe im Rahmen der Verbändeanhörung zur Abgabe einer Stellungnahme bis zum 2. Oktober 2019 aufgerufen. ….“