Lehrer*innen zwischen 1933 bis 1945 im Kreisgebiet Siegen-Wittgenstein – eine Überarbeitung.

Seit 2012 sind biographische Einträge zu Lehrer*innen, die in der Zeit des Nationalsozialismus im Kreisgebiet gewirkt haben, ein fester Bestandteil auf siwiarchiv – so z. B. 2012 Simon Grünewald, 2013 Lothar Irle, 2014 Lotte Friese-Korn und Adolf Wurmbach, 2015 Otto Krasa, 2016 Ernst Dieckmann, 2018 Hedwig Heinzerling und Reinhard Lüster sowie zuletzt Josef Kloth. Einige der Einträge wurden intensv diskutiert und ergänzt.

2014 hat siwiarchiv eine erste Lehrerdokumentation vorgelegt und eine Gruppenbiographie vorgeschlagen; übrigens immer noch eine Desiderat, wie z. B. dieses zeitgenössische Publikation zeigt. Dazu wurden damals lediglich die Angaben des regionalen Personenlexikon zum Nationalsozialismus in den Altkreises Siegen und Wittgenstein ausgewertet. Diese Zusammenstellung hat einen deutlichen Fokus auf die „Täter*innen“ unter den Pädagog*innen.

Für die Einarbeitung der zwischenzeitlich existierenden Onlineangebote zu regionalen „Opfern“ des Nationalsozialismus und zum regionalen „Widerstand“ im Nationalsozialismus sowie die der vor mehr als 2 Jahren auf siwiarchiv vorgestellen Preußische Lehrerdatenbank der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung, Abteilung des Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Berlin, fehlte bislang die Zeit.

Die Einarbeitung der drei genannten Datensammlungen in die bestehende Liste ist nun im Rahmen eines Praktikums im Kreisarchiv erfolgt: Lehrer3345Aug2019 Danke an M.C.!

Wie muss es nun weitergehen?

1. Auswertung der heimat- und lokalgeschichtlichen sowie der regionalen schulgeschichtlichen Literatur in Hinblick auf Lehrer*innen, die zwischen 1933 und 1945 im Kreisgebiet gearbeitet haben

Dass dies erfolgreich sein wird zeigt schon dieses Beispiel für Kreuztal-Kredenbach:

„Am 31. Oktober wird Ernst Alberts Lehrer in Kredenbach (seit dem 1. April 1932 Schulleiter, ab dem 1. Juli 1938 Hauptlehrer) und bleibt bis zum 31. März 1957 an der Schule.
Ernst Alberts (* Herscheid, 6.10. 1891, + Kredenbach, 13.6.1974) war von 1918 bis 1957 Lehrer in Kredenbach. 1924 baut er ein neues Haus in der Dr.-Stelbrink Str. 6, das 1925 bezogen wurde. Am 14.4.1957 fand im Saale der Gastwirtschaft Irle („Merje“) die Abschiedsfeier statt. Die „Siegener Zeitung“ titelte: „Sein Ideal: eine schöne Dorfschule“ (SZ, 14.4.1957)“
aus: Helmut Haßmann+/Hartmut Müller: Kredenbach im 20. Jahrhundert. Ein Chronik von 1900 bis 2015, Hilchenbach 2015, S. 17

Zu Alberts ist auf folgender Eintrag ermittelbar: BBF/DIPF/Archiv, Gutachterstelle des BIL – Preußische Volksschullehrerkartei Regierungsbezirk Arnsberg, GUT LEHRER (Personalunterlagen von Lehrkräften), 16124, Link: https://archivdatenbank.bbf.dipf.de/actaproweb/archive.xhtml?id=Vz++++++356cfd21-9413-4262-a1cb-b46a4ea6e3ec#Vz______356cfd21-9413-4262-a1cb-b46a4ea6e3ec

2) Auswertung der vorhandenen Schulchroniken in Hinblick auf den zu untersuchenden Personenkreis

3) Ermittlung von vorhandenen Personalakten
Ob Unterlagen von Schulleiter*innen im Landesarchiv NRW, Abt. Westfalen, in Münster vorliegen, kann dort unter Angabe von Name und Geburtsdatum ermittelt werden.

4) Überprüfung der Bestände des ehemaligen Document Center in Berlin
Unter Angabe von Name und Geburtsdatum kann im Berliner Bundesarchiv nach Zugehörigkeiten zu nationalsozialistischen Gruppierungen zu einzelnen Personen recherchiert werden.

Erst nach diesen Schritten wird man eine hinreichende Anzahl von Lehrpersonen zur Verfügung haben, die eine Gruppenbiographie ermöglicht.

8 Gedanken zu „Lehrer*innen zwischen 1933 bis 1945 im Kreisgebiet Siegen-Wittgenstein – eine Überarbeitung.

  1. Die Hamburger Landeszentrale für politische Bildung hat Lehrer*innenbiographien bereits veröffentlicht:
    – Hans-Peter de Lorent: Täterprofile. Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz. Band 1, Hamburg 2016,
    Download Täterprofile (6,8MB, 808 Seiten)
    – Hans-Peter de Lorent: Täterprofile. Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz und in der Zeit nach 1945. Band 2, Hamburg 2017, Download Täterprofile, Band 2 (13,6MB, 868 Seiten)
    – Hans-Peter de Lorent: Täterprofile. Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz und die Kontinuität bis in die Zeit nach 1945. Band 3, Hamburg 2019, Download Taeterprofile Band 3 (ca. 11 MB, 1024 Seiten)

  2. Weitere regionale Litaratur:
    Lehrer und Schule im Jahre 1933 : Dokumente, Kommentare / Klaus Klattenhoff, Friedrich Wißman
    Oldenburg : Universität Oldenburg, Zentrum für pädagogische Berufspraxis, 1985
    = Unter der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus / Günter Heuzeroth ; Bd. 5
    ISBN 3-8142-0134-5

    Volksschullehrer und Nationalsozialismus : Oldenburgischer Landeslehrerverein und Nationalsozialistischer Lehrerbund in den Jahren der politischen und wirtschaftlichen Krise 1930 – 1933 / Hilke Günther-Arndt
    Oldenburg : Holzberg, 1983
    = Oldenburger Studien 24
    ISBN 3-87358-180-9

    Nationalsozialismus und Volksschule – Ostfriesland in der Umbruchphase des Jahres 1933 : schriftliche Hausarbeit für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen / Schweinsberg-Dette, Jutta
    [Leer 1985]

  3. Die Lehrer der einklassigen Volksschule Ruckersfeld in der Zeit des Nationalsozialismus:
    “ …. 1.10.1924 bis Dez. 1936 Georg Fischer aus Aue/Wittgenstein
    1.1.1937 – 30.11.1966 Heinrich Mester aus Bochum-Langendreer …..“
    Aus: Heinrich Mester: 900 Jahre Ruckersfeld, Ruckersfeld 1979, S.148

  4. Für Freudenberg-Alchen gibt die Chronik folgende Lehrpersonen an:
    “ … Wilhelm Ring 1906-1951
    Theo Fischbach 1920-1937
    Auguste Klappert ( Handarbeit) 1929 – 1961
    Wihelm Wiemer 1937
    Ernst Römer 1937-1938
    Heinrich Sybre 1938
    Paul Kramer 1938-1943
    Hannemarie Schütz 1941-1955
    Wilhelm Stahl 1945-1946 ….“
    aus: Heimat und Verschönerungsverein Alchen e.V. (Hg.): 650 Jahre Alchen. Eine Dorfgeschichte, Freudenberg 1995, S. 163

  5. Auch in Wittgenstein finden sich in den Dorfbüchern Agaben zu Leherinnen und Lehrern“ …..
    Fritz Lockert , Hauptlehrer, 1916 – 1940
    [? Canstein
    Helmut Zindler]
    Marianne Strohmann 1920-1938
    ….
    Johannes Heinmöller 1924-1935
    Alfred Bettermann 1935-1967
    Lotte Sölter 1938-1939
    Helmut Rosenkranz 1940
    Friedrich Grimme 1941-1945
    Ewald Kleine 1944
    Waltraud Spies 1945
    Friedrich Arndt 1945-1947 ….“
    aus: Krämer, Fritz (Hg.): 750 Jahre GirkhausenBalve 1970, S. 62

  6. Ausführlicher stellt der ehemalige Lehrer Otto Krasa die Lehrerinnen und Lehrer in seiner ortsgeschichtlichen Schrift vor:
    “ ….. Robert Heide, geb. am 15.9 1876 in Flammersbach , Kr. Siegen , besuchte einige Jahre die Weisenbauschule in Siegen , danach die Präparandenanstalt und das Lehrerseminar in Dillenburg 1894-1897 .Als Lehrer zunächst in Quotshausen, Kr, Biedenkopf und Ibyn, Kr. Mörs , ab 1910 in Gosenbach , 1923 zum Konrektor und 1929 zum Rektor an hiesiger Schule ernannt . Nach seiner Pensionierung wurde er wieder bedingt durch den Lehremangel in den Schuldienst übernommen , wo er die Schulstelle des zum Heerdienst einberufenen Lehrers Berthold Fischer verwaltet . Robert Heide wurde ein Opfer der anfangs April 1945 um Gosenbach tobenden Kämpfe. In einem Zimmer an der Giebelseite der Lehrerdienstwohnung die er nach seiner Pensionierung weiterhin bezog schlug ein Granatspitter durchs Fenster, der ihm ein Bein abriß. Da kein sofortige Hilfe zur Stelle war, verblutete er und hatte somit ein tragisches Ende gefunden im Alter von 68 Jahren.
    Martha Meyer, geb. am 3.12.1894 in Wissen , Tochter des ev. Pfarrers Meyer daselbst. Nach bestandener Reifeprüfung am Oberlyzeum in Neuwied und der Lehramtsprüfung an der Semiraklasse daselbst zunächst tätig an der höheren Schule in Gosenbach , versetzt nach Hattingen an der Ruhr .
    Paul Hoffmann , geb. an 4.4.1899 in Gosenbach als Sohn des Grubenverwalters Jakob Hoffman besuch des Lehrerseminars in Gummersbach 1916-1918. Nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst war er an hiesiger Schule tätig vom 24.4.1919 bis 31.8.1933 , am 1.9.1933 versetzt nach Niederndorf, Kr, Siegen, 1945 zum Hauptlehrer daselbst ernannt .
    Adolf Hasseberg, geb. am 8.1.1899 in Lippstadt , Besuch des Lehreseminars in Lüdenscheid 1917-1919 an hiesiger Schule tätig vom 1.10.1919-31.12.1922 am 1.1.1923 versetzt nach Dortmund. Nach erfolgreichem Hochschulstudium wurde er Leiter der Pädagogischen Hochschule nach Dortmund als Professor berufen.
    Karl Stüll, geb. am 23.8.1896 in Klafeld, Kr, Siegen. Besuch des Lehrerseminars in Gummersbach. Unterbrechung der Vorbereitungszeit durch den Kriegsdienst vom 8.11-1915-26.1.1919 . Abgangsprüfung von Seminar vom 26.2.-3.3.1920, erste Anstellung im Schuldienst in Menden , Kr, Iserlohn. Vom 1.1.1923-31.5.1932 an hiesiger Schule tätig, am 1.6.1932 versetzt nach Struthütten, Übertragung der dortigen Hauptlehrertelle , später Hauptlehrer in Langenau , Kr, Siegen.
    Otto Krasa, geb. am 25.6.1890 in Radziunz , Kr, Miltisch in Schlesien, als Sohn des Lehrers Karl Krasa daselbst , Besuch des Kgl. Lehrerseminars in Krotoschin ( Provinz Posen) 1908.-1911. Im Zuge der Überweisung von ev. Schulamtsbewerben nach dem Westen der Regierung in Arnsberg überwiesen, seit 16.10.1911 an hiesiger Schule tätig, 1914-1918 Kriegsdienst. Für die Monate August und September 1936 von der Regierung in Arnsberg beurlaubt, um in größerem Umfang als bisher das Aufsuchen und Kartieren der von ihm entdeckten vorgeschichtlichen und mittelalterlichen Hüttenplätze im Siegerland vorzunehmen. Am 1.10.1939 zum Hauptlehrer ernannt . Am 1.4.1955 trat er nach Erreichung der Altersgrenze in den Ruhestand. Am 10. Oktober 1957 wurde ihm für die Erforschung der alten Eisenverhüttung im Siegerland das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.
    Berthold Fischer, geb. am 26.9.1896 in Fredeburg , Kr. Meschede , Besuch des Lehrehseminars in Hilchenbach 1913-1915, Herresdienst als Freiwilliger bei der Marine bis Nov. 1918 ab 25.1.1919 an hiesiger Schule tätig. Am 25.8.1939 zum Heeresdienst einberufen bei der Stabkomp . der Mar. Art. Ers. Abtlg. in Cuxhaven zuletzt befördert zum Ltn. d. M. Art. am 1.4.1945. Nach seiner Entlassung aus dem Heeressdienst wieder im Schuldienst hierselbst seit dem 27.8.1945, Ernennung zum Hauptlehrer am 1.7.1947, in den Ruhestand versetzt am 31.3.58
    August Lütgert, geb. am 6.5.1910 in Krombach Kr. Siegen Reifprüfung an der Oberrealschule Weidenau 1929. Besuch der Pädagogischen Akademie in Dortmund 1931. Unterbrechung des Studiums wegen Krankheit. 1935 Ablegung der ersten Prüfung für das Lehramt an Volksschulen erste Lehrstelle an der einklassigen ev. Volksschule in Verserde, Kr. Altena vom 15. Mai.1935 bis zu, April 1936 hierauf Vertretungsstelle in Weidenau, vom 1. Sept.1936 bis Dez.1955 an hiesiger Schule tätig, versetzt nach Eisern, daselbst zum Konrektor ernannt.
    Else Houben, geb. am 5.2.1901 in Bochum des Lehrerinnensemirars daselbst 1918-1921 -30.10.1926 Telegraphendienst in Bochum. Eintritt in den Schuldienst am 31.10.1936 , zunächst 2 Monate an der Neustadtschule in Wattenscheid, vom 1.1.1927-31.3.1930 an der Pestalozischule in Lünen-Brambauer, vom 1.4.1930-30.11.1933 in Schwelm, vom 1.12.1933-31.8.1951 an hiesiger Schule tätig auf eigenen Wunsch versetzt nach Wattenscheid, daselbst zur Konrektorin ernannt.
    Wilhelm Kuhn, geb. am 5.5.1892 in Hilchenbach . Besuche der Präparandie und des Lehreseminars daselbst 1906-1912. Erste Lehrerstelle in Lippe bei Burbach Kr. Siegen 1.5.1912-23.10.1916, zweite Lehrerstelle in Oberheuslingen, Kr. Siegen, 21.10.16-3.5.1945, Kriegsdienst 6.4.1915-23.10.1916 und 11.9.1917 -11.11.1918. Seit 1.5.1948 an hiesiger Schule tätig. Versetzung in den Ruhestand am 1.4.1955.
    ……
    Irmgard Siebel, geb. am 26.8.1927 in Siegen als Tochter des Kaufmanns Friedrich Siebel daselbst. Ausbildung Mittlere Reife , Frauenfachschule und Schulhelferlehrgang in Bayreuth , am 1.7.1944 Anstellung als Schulhelferin an der Obenstruhtschule in Siegen, von 1945-1947 an den Volksschulen in Buschhütten und Kreuztal. Besuch der Pädagogischen Akademie in Bonn 1948 -1950, Anstellung als Lehrerin auf der Lippe und Wahlbach Kr. Siegen von 1950-1954, ab Ostern 1954-31.3.1957 an hiesiger Volksschule tätig , versetzt nach Siegen am 1.4.1957. ….“
    aus: Krasa, Otto: Chronik der Gemende Gosenbach, Hilchenbach 1964, S. 146 – 149

  7. Ein Zitat für die Motivation zur Erforschung der Leher:innenbiographien aus Zabel, Manfred: Die Heimatsprache der Begeisterung. Ausgewählte Reden und Schriften von Fritz Fries, Siegen 1990:
    S.79 Rede Fries, 22.6.1945 in Arnsberg: „…. Unsere Nazilehrer haben in einer Weise an unserem Volk gesündigt, dass darunter noch zwei Generationen zu leiden haben werden. Sie haben durch ihren Unterricht das Nazigift eingeträufelt. Es wird lange dauern, bis das beseitigt ist. Leute bis zu 30 Jahren sind durch ihre Nazischulen gegangen. Diese jungen Menschen sind in falscher Auffassung aufgewachsen. So ist leider ein großes Schuldkonto bei unseren Lehrern festzustellen. Wenn deshalb eine Animosität gegen sie besteht, so haben die Lehrer das sich selbst zuzuschreiben. Man sah sie überall mit dem Hakenkreuz in Nazitätickeit. Diese Zeit hätten sie gegen den Krieg aufwenden sollen. Viele Lehrer haben in wüstesten Weise gegen die Religion gehetzt. ….“

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