Stellungnahme zur Diskussion um Straßenumbenennungen in Siegen

Gemeinsame Erklärung von Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Siegerland und Aktiven Museum Südwestfalen, 11. Februar 2022

„Straßennamen dienen zunächst der räumlichen Orientierung in einer Stadt. Sie prägen sich allein schon deswegen in das Bewusstsein und Alltagsleben ihrer Bewohnerinnen und Bewohner ein. Vor allem aber sind sie sichtbarer Teil einer regional geteilten Erinnerung. Als solche markieren die gerade diskutierten Fälle der Lothar-Irle-Straße und (Adolf) Stöcker-Straße eine durchaus brisante Anwesenheit der Vergangenheit in der Gegenwart.

Die aktuelle öffentliche Berichterstattung zu den ersten Überlegungen des städtischen Arbeitskreises zur Aufarbeitung der historischen Hintergründe von Straßennamen verweist darauf, dass der Umgang mit Geschichte, konkret den historischen Personen und Ereignissen im öffentlichen Raum, nicht erst seit kurzem von hohem öffentlichen Interesse ist. Die Berichterstattung und Leserbriefe machen aber vor allem deutlich, dass Geschichte bisweilen nur von einigen wenigen gemacht wird. Die so entstehenden Deutungen und Erzählungen verraten mehr über die politische Grundhaltung der gegenwärtigen Akteurinnen und Akteure als über die geschichtlichen Hintergründe. Eine solche Praxis trägt kaum zur sachlichen Klärung bei. Die Fallbeispiele Adolf Stoecker und Lothar Irle sind fraglos diskussionswürdige Ehrungen, allerdings belegen die dazu kontrovers geführten Debatten in der lokalen Presse eindrucksvoll, dass nicht nur breitere Beteiligungsmöglichkeiten, sondern vor allem eine sachliche Fundierung sowie eine gute Moderation dringend von Nöten sind.

Die Gesellschaft für christliche-jüdische Zusammenarbeit e.V. (CJZ) und das Aktive Museum Südwestfalen e.V. (AMS) begrüßen die aktuellen politischen Aktivitäten im Arbeitskreis Aufarbeitung der historischen Hintergründe von Straßennamen in Siegen der Stadt Siegen. Sie bringen damit langjährige Diskussionen zunächst in eine gute Form kommunaler Entwicklung, ohne allerdings für die hinreichende öffentliche Beteiligung zu sorgen. Die mit der erinnerungskulturellen Bedeutung und Praxis von Straßennamen einhergehenden gesellschaftlichen Aktivitäten und Diskussionen gehören fraglos in einen öffentlichen Diskussionsraum, um eine Teilhabe aller relevanten Personen, Institutionen, Akteurinnen und Akteure zu gewährleisten. Ein Arbeitskreis, der darauf verzichtet, schon zu Beginn breite Beteiligung und (wissenschaftliche) Beratung zu organisieren, vergibt womöglich die große Chance, mit der Zivilgesellschaft nachhaltige Lösungen zu entwickeln.

Das Bewusstsein für das Gewordene und die Konstruktion räumlicher Gegenwart aus der Vergangenheit schafft Grundvoraussetzungen für verantwortungsbewusstes Handeln in einer demokratischen Gesellschaft. Wir möchten als Akteurinnen und Akteure in der regionalen Erinnerungslandschaft im Sinne eines zivilgesellschaftlichen Dialogs zum regionalen Geschichtsbewusstsein mit zwei Formaten einen Beitrag leisten:

Am 5. Mai 2022 findet ein von den Vereinen veranstalteter Dialog in der Martinikirche Siegen statt. Regionale wie überregionale Expertinnen und Experten diskutieren gemeinsam mit der interessierten Öffentlichkeit die Grundfragen von Straßennamen und Umbenennungen am regionalen Beispiel (u.a. Lothar Irle, Adolf Stöcker und Otto Krasa). Nähere Informationen zur Veranstaltung werden noch bekannt gegeben.

Die Ergebnisse des Dialogs sowie weitere Forschungen im Rahmen des Projektes „Mapping Memory“ fließen ein in eine interaktive digitale Landkarte zu regionalen Erinnerungsorten, die das Aktive Museum Ende 2022 veröffentlichen wird.

Wir laden hiermit alle interessierten Bürgerinnen und Bürger der Region, alle Institutionen und Vereine sowie die Politik ein, die Angebote zum Dialog zu nutzen.

Im Namen der Vorstände

Dr. J. Aspelmeier und Raimar Leng“

Am 12. Februar 2022 erschien in der Siegener Zeitung (Print) ein redaktioneller Artikel „CJZ und AMS kritisieren Arbeitskreis“, der sich auf die Stellungnahme bezieht: [Wortlaut am 14.2.22 ergänzt]

„In die Diskussion um die mögliche Umbenennung einiger Straßen in Siegen (die SZ berichtete ausführlich) melden sich die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit (CJZ) sowie das Aktive Museum Südwestfalen (AMS) zu Wort. Am Donnerstag , 5. Mai, soll ein Dialog in der MArtinikirche in der Krönchenstadt stattfinden. Regionale wie überregionale Expertinnen und Experten diskutieren gemeinsam mit der Öffentlichkeit die Grundfragen von Straßennamen und Umbenennungen. Die Ergebnisse des Dialogs sowie weitere Forschungen im Rahmen des Projektes „mapping Memory“ fließen ein in eine interaktive digitale Landkarte zu regionalen Erinnerungsorten, die das Aktive Museum Ende 2022 veröffentlichen wird.

Mit Kritik am Arbeitskreis zur Aufarbeitung der historischen Hintergründe von Straßennamen in Siegen sparen CJZ und AMS indes nicht. Zwar begrüße man die aktuellen politischen Aktivitäten des Arbeitskreises. Aber: „Ein Arbeitskreis, der darauf verzichtet schon zu Beginn breite Beteiligung und (wissenschaftliche) Beratung zu organisieren, vergibt womöglich die große Chance, mit der Zivilgesellschaft nachhaltige Lösungen zu entwicklen“, heißt es in der Mitteilung.

Die mit der erinnerungskulturellen Bedeutung und Praxis von Straßennamen einhergehenden gesellschaftlichen Aktivitäten und Diskussionen gehörten fraglos in einen öffentlichen Diskussionsraum, um eine Teilhabe aller relevanten Personen, Institutionen und Akteure zu gewährleisten.“ Die beiden genannten Formate sollen „im Sinne eines zivilgesellschaftlichen Dialogs zum regionalen Geschichtsbewußtsein mit zwei Formaten einen Beitrag“ dazu leisten.“

4 Gedanken zu „Stellungnahme zur Diskussion um Straßenumbenennungen in Siegen

  1. „…Deutungen und Erzählungenverraten…“ Ich spendiere eine _ hier; auch der Geschichtswerkstatt.
    Ich denke aber nicht, dass dieser Lapsus dazu geführt hat, dass die in der Thematik engagierte Heimatzeitung den entsprechenden Textabschnitt nicht wiedergegeben hat.

    • Vielen Dank für den Kommentar! Der Fehler wurde korrigiert. Um das Engagement der „Heimatzeitung“ bewerten zu können, wird, der erwähnte Artikel hier noch nachgereicht werden. In der Tat war die Geschichtswerkstatt Siegen hier schneller. Dies hatte , sagen wir einmal, technische und private Gründe …..

Schreibe einen Kommentar zu archivar Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert