Flaggen und Kennzeichen – erinnerungskulturelle Tagesordnungspunkte im Kreistag

Der Kreistag beschäftigt sich heute mit zwei Tagesordnungspunkten mit erinnerungskulturellen Hintergrund:
1) Kfz-Kennzeichen mit eindeutigem Bezug auf das „Dritte Reich“ – Anfrage der Fraktion Die Linke:
“ … Unsere Fraktion stellt diese Anfrage an das Straßenverkehrsamt Siegen-Wittgenstein zum Umgang mit rechtextrem konnotierten Kennzeichen. In letzter Zeit werden vermehrt Pkws mit eindeutig rechtsextrem konnotierten Kennzeichen im Kreis Siegen-Wittgenstein gesichtet. Bei diesen Kennzeichen handelt es sich um konkrete Buchstaben- und Zahlenkombinationen, die einen klaren Bezug zum „Dritten Reich“ aufweisen. Im Kreisgebiet gesichtete Kennzeichenkombinationen sind u.a. „HH 33“, „AH 18“ „SI EG 1945“ oder „SI EG 88“.
Laut Erlass des Landes NRW zur Zuteilung von amtlichen Kennzeichen sind so zum Beispiel u.a. die Buchstabenkombinationen HJ, NS, KZ, SA und SS nicht erlaubt. So heißt es im Paragraph 86a StGB:
„Das Verwenden von Nazi-Symbolen, einschließlich auf Kfz-Kennzeichen, ist in Deutschland nach § 86a Strafgesetzbuch (StGB) verboten. Dieses Gesetz betrifft das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen.“
Hingegen ist die Vergabe anderer Kombinationen, die einen Bezug zum Nationalsozialismus haben könnten, möglich, kann aber von der zuständigen Kommune untersagt werden. Dazu gehören u.a. die Kürzel AH, HH oder SD, insbesondere in Verbindung mit Zahlen wie 1933, 1939, 33, 18 oder 88.1 Darüber hinaus verbieten auch einige Landkreise zusätzlich andere Buchstaben-Zahlen-Kombinationen, die einen klaren Bezug zum Nationalsozialismus herstellen lassen. Seit längerem ist bekannt, dass Rechtsextreme und Faschisten solche Kennzeichen nutzen, um damit ihre Gesinnung nach außen zu tragen. Solche und andere eindeutig rechtsextreme Nummernschildern sind nicht zulässig.
Aus dem oben geschilderten Sachverhalt fordert unsere Fraktion Aufklärung durch das Straßenverkehrsamt des Kreises Siegen-Wittgenstein und der Kreisverwaltung Siegen-
Wittgenstein und wir bitten die Kreisverwaltung um zeitnahe Beantwortung folgender Fragen:
1. Wie kann es sein, dass das Straßenverkehrsamt Siegen-Wittgenstein solche verfassungswidrigen Kennzeichen ausstellt bzw. in der Vergangenheit ausgestellt hat?
2. Welche internen Vorgaben haben Mitarbeiter*innen des Straßenverkehrsamtes Siegen-Wittgenstein beim Umgang und der Ausstellung solcher nicht zulässigen Kennzeichen?
3. Kann das Straßenverkehrsamt Siegen-Wittgenstein dieser Anfrage eine Aufstellung beifügen, wie viele solcher nicht zulässigen Kennzeichen im Jahr 2024 ausgestellt wurden?
3. Kann das Straßenverkehrsamt Siegen-Wittgenstein dieser Anfrage eine Aufstellung beifügen, wie viele solcher nicht zulässigen Kennzeichen in den letzten fünf Jahren
ausgestellt wurden?
Wir fordern hiermit den Kreis Siegen-Wittgenstein dazu auf, die entsprechenden Kennzeichen zu kontrollieren und diese abzuändern.
Darüber hinaus fordert unsere Fraktion das Straßenverkehrsamt Siegen-Wittgenstein dazu auf, in Zukunft verstärkt auf solche Zusammenhänge zu achten und durch das geltende Verbot bei
der Vergabe von Kfz-Kennzeichen ein deutliches Zeichen gegen faschistische und rechtsextremistische Tendenzen und Gesinnungen zu setzen, auch hier im Kreisgebiet. ….“
Antwort der Kreisverwaltung:

1. Wie kann es sein, dass das Straßenverkehrsamt Siegen-Wittgenstein solche verfassungswidrigen Kennzeichen ausstellt bzw. in der Vergangenheit ausgestellt hat?
Diese Annahme trifft nicht zu.
Die Kfz-Zulassungs- und Führerscheinstelle des Kreises Siegen-Wittgenstein beachtet die geltenden gesetzlichen Vorgaben sowie alle relevanten Verwaltungsvorschriften bei der Zuteilung von Kennzeichen strikt. Es wurden keine Kennzeichen mit eindeutig verfassungswidrigen oder rechtsextremen Inhalten ausgegeben.
2. Welche internen Vorgaben haben Mitarbeiter*innen des Straßenverkehrsamtes Siegen-Wittgenstein beim Umgang und der Ausstellung solcher nicht zulässigen Kennzeichen?
Die Fahrzeug-Zulassungsverordnung besagt, dass die Buchstaben- und Zahlenfolge auf Autokennzeichen „nicht gegen die guten Sitten verstoßen“ darf (§ 8 FZV). Derzeit sind Kennzeichen, die eine sittenwidrige Buchstabenkombination, wie KZ, HJ, NS, SA oder SS, enthalten, in Deutschland nicht erlaubt. Verbotene Kennzeichenkombinationen sind systemseitig gesperrt, so dass keine Zuteilung vorgenommen werden kann. Was darüber hinaus jedoch sittenwidrig ist, hängt von den besonderen Umständen im Einzelfall ab. Unsere Mitarbeitenden sind durch interne Anweisungen und Schulungen sensibilisiert.
3. Kann das Straßenverkehrsamt Siegen-Wittgenstein dieser Anfrage eine Aufstellung beifügen, wie viele solcher nicht zulässigen Kennzeichen im Jahr 2024 ausgestellt
wurden?
Im Jahr 2024 wurden keine unzulässigen Kennzeichen ausgegeben.
4. Kann das Straßenverkehrsamt Siegen-Wittgenstein dieser Anfrage eine Aufstellung beifügen, wie viele solcher nicht zulässigen Kennzeichen in den letzten fünf Jahren ausgestellt wurden?
Auch rückblickend auf die letzten fünf Jahre ist festzustellen, dass keine unzulässigen Kennzeichen ausgegeben wurden.
Die Kfz-Zulassungs- und Führerscheinstelle des Kreises Siegen-Wittgenstein legt großen Wert auf die Einhaltung demokratischer Grundwerte und ist sich ihrer Verantwortung im Umgang mit sensiblen Kennzeichenkombinationen bewusst.
Die in der Anfrage aufgeführten (im Kreisgebiet gesichteten) Kennzeichen wurden daher im Rahmen der Beantwortung dieser Anfrage nochmals auf Sittenwidrigkeit überprüft. In sämtlichen Fällen kann ein Bezug zum „Dritten Reich“ sicher ausgeschlossen werden. Vielmehr lässt sich in allen Fällen ein konkreter Bezug zu Namen und/oder Geburtsdaten der Halter:innen feststellen.
Unter den Haltern der Fahrzeuge befindet sich beispielsweise ein Altenheim.
Es ist folglich nicht möglich, jeglichen denkbaren ideologischen Missbrauch von Kfz-Kennzeichen durch die Interpretation von Buchstaben- und Zahlenkombinationen auszuschließen. Die Kreisverwaltung schließt sich insofern der Auffassung der Landesregierung Nordrhein-Westfalens an. Dort lautet es in einer Antwort auf eine kleine Anfrage zweier Abgeordneter am 01.10.2019
(Drucksache 17/7531):
„Die Landesregierung weiß um die vielfältigen Beweggründe von Fahrzeughalterinnen und Fahrzeughaltern, bestimmte Buchstaben-Ziffernkombinationen auf dem Kennzeichen auszuwählen, sei es, dass sie sich z. B. das Kennzeichen leicht merken wollen, die Anfangsbuchstaben von Vor- und Zunamen oder ein bestimmtes Datum darstellen wollen.“ […] „Die Landesregierung kann nicht ausschließen, dass – auch mit Blick auf das gesamte Landesgebiet – bei der sehr hohen Anzahl theoretisch möglicher Kennzeichenkombinationen im Einzelfall Assoziationen geweckt werden können, die der Rechts- und Sozialmoral widersprechen.““

2) Ganzjährige Beflaggung von Dienstgebäuden und Schulen – Antrag der AfD-Fraktion:
“ …. Der Kreistag möge beschließen:
Dienstgebäude, Schulen und Liegenschaften des Kreises sind, soweit ein Fahnenmast vorhanden ist, ergänzend zu den Richtlinien Beflaggungsverordnung des Landes NRW vom 09.11.1984 ganzjährig mit der Nationalflagge zu beflaggen.
Begründung:
Die letzten Jahre aber auch die aktuelle Situation stellt viele Bürger in unserem Land vor ungeahnte Herausforderungen und wird zunehmend zur Zerreißprobe für unsere Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die auf Grund wirtschaftlicher, sozialer, politischer und zunehmend auch wieder religiöser Differenzen immer weniger Verbindendes zu finden vermag.
Ein Blick in die Geschichte zeigt jedoch, dass es, gerade in Anbetracht großer Krisen, immer wieder ein verbindendes Element gab, einen kleinsten gemeinsamen Nenner. Und dieser kleinste gemeinsame Nenner war die Zugehörigkeit zur eigenen Nation, einer Schicksals- und Bekenntnisgemeinschaft, basierend auf einem allgemein anerkannten Wertekanon.
Diese tragende Säule des Zusammenhaltes erodiert in Deutschland jedoch merklich – die Folgen sind täglich spürbar: Mangel an Gemeinsinn, Mangel an Solidarität, und am Ende auch Mangel an etwas, in das sich fremde Menschen hinein integrieren könnten.
Daher gilt es, diese Säule auf allen politische Eben wieder zu stärken. Eine Maßnahme dazu kann die in diesem Antrag geforderte dauerhafte Beflaggung sein. Nicht nur würde durch eine im Alltag deutlich sichtbare Beflaggung der Umgang mit unseren Nationalsymbolen eine dringend notwendige Normalisierung erfahren, auch der identitätsstiftende Charakter eines Symbols gemeinsamer Werte und der Zusammengehörigkeit darf nicht unterschätzt werden. …“
Stellungnahme der Verwaltung:
“ …. Nach Absatz 1 des einzigen Paragrafen des Gesetzes über das öffentliche Flaggen für das Land Nordrhein-Westfalen haben die Dienststellen des Landes, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der übrigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes unterliegen, an den Tagen zu flaggen, die vom für Inneres zuständigen
Ministerium bestimmt werden. Insofern besteht eine Beflaggungspflicht des Kreises Siegen-Wittgenstein. Die Dienststellen der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts können aus eigener Entschließung flaggen, wenn sie eine öffentliche Beflaggung für erforderlich halten (Absatz 2 des vorgenannten Paragrafen). Insofern besteht ein Beflaggungsrecht. Absatz 3 dieses Paragrafen regelt, dass die regelmäßigen Beflaggungstage durch Rechtsverordnung von dem für Inneres zuständigen Ministerium festgelegt werden. Im Übrigen erlässt das für Inneres zuständige Ministerium die zur Durchführung der Beflaggung erforderlichen Verwaltungsvorschriften.
Die Entscheidung über freiwillige Beflaggungen obliegt dem Landrat, der als Hauptverwaltungsbeamter die laufenden Geschäfte des Kreises führt. Sie erfolgt im Rahmen der laufenden Verwaltungstätigkeit nach § 42 Abs. 1 der Kreisordnung Nordrhein-Westfalen (KrO NRW) und orientiert sich an örtlichen Anlässen und Gegebenheiten.
Eine dauerhafte, ganzjährige Beflaggung entspricht nicht der bisherigen Verwaltungspraxis und ist auch künftig nicht vorgesehen.“

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