„Verschleppt. Ausgebeutet. Vergessen?“

Sonderausstellung und gemeinsame Spurensuche zum Thema „Zwangsarbeit im Siegerland“
Zeitraum, Ort:   19.10.2023 (Eröffnung 16 Uhr) bis 27.01.2024 in den Räumen des „Aktiven Museums Südwestfalen“ (Obergraben 10 in Siegen)

Zwangsarbeiter:innen aus der Sowjetunion in Meinerzhagen/Sauerland, 29. April 1944″ – Rechteinhaber: Stadtarchiv Meinerzhagen


Das Thema der Zwangsarbeit im Siegerland 1939-1945

Zwangsarbeit war eines der sichtbarsten und alltäglichsten Verbrechen im Nationalsozialismus. Auch in unserer Region gab es ein dichtes Netz von Lagern. Das Siegerland zählte zu den bedeutenden Rüstungsstandorten des „Dritten Reiches“. Die Unternehmen versuchten, den Arbeitskräftemangel mit Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter*innen zu decken. Zeitweise bestand die Bevölkerung einer Stadt wie Siegen zu einem Drittel aus Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern. Fast neben jedem größeren Unternehmen lebten sie in scharf bewachten Lagern. Nicht wenige kamen aus besetzten Ländern Westeuropas, doch die größte Gruppe waren oft sehr junge Menschen aus Polen und aus der Sowjetunion, davon viele aus Belarus und der Ukraine. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen waren insbesondere für osteuropäische Verschleppte meist von Ausbeutung, Rassismus und nicht selten von Vernichtungswillen gekennzeichnet. Auf den Friedhöfen Siegens und des Umlandes befinden sich Gräber von über 1000 Zwangsarbeiter*innen.  

Das Thema im Rahmen der regionalen Erinnerungskultur
Die ersten Jahrzehnte nach Kriegsende waren in Deutschland geprägt vom Vergessen: Die Deportation, Ausbeutung und rassistische Behandlung der ausländ-ischen Zwangsarbeiter*innen galten in weiten Kreisen nicht als Verbrechen, die Sklavenarbeit wurde nicht entschädigt und die Verantwortlichen wurden in den seltensten Fällen von der bundesdeutschen Justiz juristisch belangt. Mit den Aktivitäten unseres Vereins in den 80er Jahren begann ein erstes Erinnern, das zur Aufnahme von Zwangsarbeiterschicksalen in das „Aktive Gedenkbuch“ (https://aktives-gedenkbuch.de/) und in alternative Stadtrundgänge führte. Beziehungen zu zivilgesellschaftlichen Partnern in der Sowjetunion wurden aufgebaut und 1991 erschien eine wegweisende Monografie von Ulrich Opfermann („Heimat.Fremde. Ausländereinsatz im Siegerland“). Es kam zu Besuchen ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und einige Unternehmen stellten sich öffentlich ihrer Geschichte. In den letzten Jahren wurde das Thema vor allem über die Auseinandersetzung um die Namensgebung von öffentlichen Institutionen (z.B. des Städtischen Gymnasiums Kreuztal, ehemals „Friedrich-Flick-Gymnasium“) nach Unternehmern aus der Region, die in das System der Zwangsarbeit verstrickt waren, verhandelt. Regionale Unternehmen stellten sich durch ihre Teilhabe an der Stiftung „Erinnerung – Verantwortung- Zukunft“ ihrer Verantwortung für die Entschädigung von Überlebenden der Zwangsarbeit während des Nationalsozialismus. Trotz aller regionalen Bemühungen sind noch viele Aspekte der Zwangsarbeit in der Region nicht näher betrachtet worden, insbesondere bedarf es einer Erinnerung an angemessen aufbereiteten Erinnerungsorten. Ziel ist es daher, die Geschichte ausgewählter Zwangsarbeiterlager aufzuarbeiten und diese Orte öffentlich zugänglich zu machen.

Die Sonderausstellung und ihr Begleitprogramm:

Die Ausstellung startet am 19. Oktober 2023 und ist bis zum 27.01.2024 geöffnet (Di. u. So. 15-18 Uhr sowie weitere Termine auf Anfrage). Sie will Einblicke in das europaweite System der Verschleppung und Versklavung von überwiegend jungen Menschen während des Nationalsozialismus geben und anhand einzelner Orte und Biografien die Realität der Zwangsarbeit in unserer Region während des zweiten Weltkriegs aufzeigen. Ein weiterer Schwerpunkt wird die Darstellung von Aktivitäten zur Auseinandersetzung mit dem Thema nach 1945 sein. 

Das Begleitprogramm zur Ausstellung wird mit Vorträgen, Workshops und Rundgängen Angebote zur vertiefenden Beschäftigung beinhalten. Einen emotionalen Zugang zum Thema bietet die filmische Umsetzung einer szenischen Führung des „Jungen Theater Siegen“, in der junge Darstellende Stimmen von Tätern und Opfern zu Wort kommen lassen. Ein besonderes pädagogisches Angebot richtet sich an Lehrkräfte, um diesen Vermittlungsangebote des Themas für junge Menschen näherzubringen. Für Besuchergruppen, insbesondere Schüler*innen aller Schulformen sowie Auszubildende von Betrieben/Berufsschulen, kann ein die Ausstellung begleitender Workshop gebucht werden. 

Die Einladung
Mit der Ausstellung will das Aktive Museum Südwestfalen Impulse geben und Einladungen aussenden, um über den Zeitraum der Sonderausstellung hinaus ein neues Kapitel in der Beschäftigung mit dem Thema im Rahmen der regionalen Erinnerungskultur einzuleiten. Nur noch wenige Zeitzeug*innen leben, umso wichtiger ist es, die Geschichten, die sie uns übermittelt haben und die Spuren ihrer Schicksale im regionalen Gedächtnis zu sammeln und weiterzugeben.
Wir laden Zeitzeuginnen und Zeitzeugen ein, uns ihre Geschichten über das eigene Erleben der Zwangsarbeit in der Region mitzuteilen. Diese Einladung richtet sich auch an die nächste Generation. 

Darüber hinaus wendet sich das AMS besonders an Unternehmen in der Region. Wir laden dazu ein,  

  • bei Vorhandensein einschlägiger Archive mit uns gemeinsam auf die Unternehmensgeschichte zu schauen,  
  • pädagogische Projekte anzustoßen z.B. mit Mitarbeitenden oder Auszubildenden  
  • ehemalige Stätten der Zwangsarbeit als Orte der Erinnerung für entdeckendes Lernen von jungen Menschen zugänglich zu machen.  

Die Unternehmen in unserer Region nehmen ihre Verantwortung in unserer demokratischen Gesellschaft auf vielfältige Weise bereits wahr. Wir möchten sie einladen, mit uns und anderen Akteuren auch auf die Rolle der Wirtschaft unter den Verhältnissen einer totalitären Diktatur zu schauen. Dies nicht als Selbstzweck, sondern mit dem Ziel, Mitarbeitenden und insbesondere jungen Menschen Angebote zu machen, um eine eigene Haltung zu entwickeln und sich zu fragen, was es heute heißt, aus der Geschichte zu lernen.  

Ziel: Information der Öffentlichkeit über ein bisher weniger beachtetes Kapitel der Geschichte des Nationalsozialismus und Einladung zur weiteren Beschäftigung mit dem Ziel neue Erinnerungsorte in der Region einzurichten 

Methoden: Ausstellung im Aktiven Museum, pädagogisch aufbereitete Workshops, audiovisuelle Medienangebote, Vorträge, Dialoge, Rundgänge  

Inhalt: Darstellung des Stands der Aufarbeitung der Geschichte der Zwangsarbeit im Siegerland während des Nationalsozialismus und nach 1945 im Rahmen der regionalen Erinnerungskultur sowie Erweiterung zu Biografien und Orten der Zwangsarbeit 

Einladungskarte zur Ausstellungseröffnung (PDF)

Quelle: Aktives Museum Südwestfalen, Pressemitteilung; Ausstellungs-Flyer Verschleppt…Zwangsarbeit im Siegerland (PDF)

8 Gedanken zu „„Verschleppt. Ausgebeutet. Vergessen?“

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