„Die Fludersbach als Gedenkort zur Zwangsarbeit im Siegerland entwickeln“

Finissage der Ausstellung zur Zwangsarbeit im Siegerland


1. Die Fludersbach enthält bedeutende Orte der Erinnerung an die Zwangsarbeit im Siegerland.
a. Ostarbeiterfriedhof mit ca. 200 Gräbern sowjetischer Zwangsarbeitender;
b. Gebäude und Parkplatz Kaufland mit Kellerräumen des ehemaligen Ostarbeiter-
Hilfskrankenhauses sowie im EG eine Fensterreihe der Krankenhausbaracke

2. Dies ist in keiner Weise in der Stadtöffentlichkeit und im Stadtraum präsent.
a. Es gibt keinen Zugang zum Friedhof, da er nur an Gedenktagen genutzt wird und
man sich ansonsten beim Friedhofsamt einen Schlüssel holen muss (Grund laut
Stadtverwaltung: Vandalismusschäden)
b. Der Friedhof ist nicht ausgeschildert und selbst interessierten Menschen fällt es
schwer, ihn hinter der Buswende Seilereiweg ausfindig zu machen.
c. Die Reste des Hilfskrankenhauses sind im Keller von Kaufland unsichtbar, im Zuge
einer Begehung des Kellers durch das Denkmalamt wurde sichtbar, dass noch
einige Einrichtungsgegenstände vermutlich aus der NS-Zeit stammen (Türen,
Fenster, evt. auch Möbel)
d. Auch auf das Hilfskrankenhaus fehlt jeder Hinweis im Stadtraum.

3. Die Sonderausstellung des Aktiven Museums zur Zwangsarbeit im Siegerland zeigte, dass das Interesse an diesem dunklen Kapitel unserer Geschichte in der
Stadtöffentlichkeit groß ist.
a. Die Ausstellung stieß auf großes Interesse von Einzelbesuchern und Schulen (ca.
800 Besuchende).
b. Es gab viele Berichte über die Ausstellung in Presse, Funk, Lokalzeit.
c. Obwohl seitdem fast 80 Jahre vergangen sind, meldeten sich viele Zeitzeugen und
Zweitzeugen mit Erzählungen, die in ihren Familien überliefert wurden über
Erlebnisse mit Zwangsarbeitern während der NS-Zeit.
d. Die Fludersbach mit Friedhof und Hilfskrankenhaus für sogenannte „Ostarbeiter“
war einer der zentralen Orte des Systems der Zwangsarbeit in Siegen. Viele
Besucher fragten uns nach Besuch der Ausstellung, wo denn der Friedhof liege,
und warum es keine Hinweise und keinen Zugang gebe. Manche machten sich auf
die Suche und scheiterten dabei.
e. Das System der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus war ein zentrales Element
der NS-Diktatur und des verbrecherischen Weltkrieges, das diese vom Zaun
gebrochen hatte. In der Ausstellung wurde deutlich, dass das auch für Siegen galt.
In unserer Stadt war Zwangsarbeit während der Jahre 1940-1945 so zentral für alle
wirtschaftlichen Bereiche, dass auf dem Höhepunkt 1944 bis zu 10000
Verschleppte in Siegen Zwangsarbeit verrichteten. Sie kamen überwiegend aus
Osteuropa, häufig aus dem Gebiet der heutigen Ukraine. Von ihren Leiden zeugen
ca. 1000 Gräber auf vielen Friedhöfen im Siegerland, von denen einer versteckt
und unbekannt in der Fludersbach liegt.

4. Es ist an der Zeit, die Fludersbach als Gedenkort an die Zwangsarbeit in Siegen und im Siegerland zu entwickeln.
a. Das Aktive Museum will Motor und Mittler eines Prozesses sein, aus dem ein
lebendiges Gedenken an die Verschleppten und Ausgebeuteten in unserer Region
erwächst- damit an die Stelle des Vergessens und Verdrängens das Erinnern treten
kann.
b. Dies kann in einer Kooperation möglichst vieler Menschen aus der Bürgerschaft,
aus Wirtschaft, Universität, Politik und Verwaltung gelingen.“

Quelle: Aktives Museum Südwestfalen

6 Gedanken zu „„Die Fludersbach als Gedenkort zur Zwangsarbeit im Siegerland entwickeln“

  1. Dass die Fludersbach zum Ort des sog. Hilfskrankenhauses für „Ostarbeiter“, sprich für sowjetische Zwangsarbeitskräfte, und des dazugehörigen Gräberfelds wurde, ist alles andere als ein Zufall. Die Fludersbach am Stadtrand war seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der in Siegen markanteste Ort sozialer Ausgrenzung, etwa vergleichbar mit dem Berleburger „Zigeunerberg“. Hier fanden die ein äußerst bescheidenes Obdach, mit denen die klein- und großbürgerliche Stadtbevölkerung nicht zusammenleben wollte, angeblich „Asoziale“ der unterschiedlichen Herkunft, aus der lokalen Bevölkerung, Migranten, Sinti-Nachfahren, jenischer „Meckeser“ etc. pp. Es ist insofern ein Quartier mit tradierter Exklusion bis mindestens in die 2000er Jahre gewesen, wenn ich das richtig sehe.

    Als ich in den ausgehenden 1980er Jahren die Geschichte der regionalen Nazi-Zwangsarbeit erarbeitete, stieß ich im Friedhofsamt(?) auf eine zeitgenössische Kartei der verstorbenen sowjetischen Zwangsarbeitskräfte, mit Angabe der Todesursachen. Gibt es die noch? Hat die heutige Nachrecherche sie ausfindig machen können?

    Die Schließung des Friedhofs dürfte darauf zurückgehen, dass er damals Objekt einer Vandalenaktion war, die leider nie aufgeklärt wurde. Die Grabsteine wurden reihenweise umgekippt. Ich meine mich zu erinnern, dass unbekannt gebliebene Täter auch gegen Schlichthäuser von Bewohnern der Fludersbach vorgingen.

    • Uli, es war die Sterbekartei des Städtischen Friedhofsamtes. (Quelle: „Das Schicksal der Zwangsarbeiter im Siegerland – Projektwoche der Realschule „Am Häusling“ am 27./28.06.1986, Typoskript, SS. 18 und 19)

  2. Und noch ein Hinweis: Schon vor Jahren stellte die regionale VVN-BdA umfangreich Informationen zur regionalen Nazi-Zwangsarbeit ins Netz, die nicht zuletzt auf eigene Recherchen zurückging. Wünschenswert wäre, dass hier eine integrative historische Forschung und Präsentation von Ergebnissen stattfände. Da hätten alle mehr davon.

  3. Ja, das war damals der erste Einstieg. Wir haben dafür einen Preis des BuPräs in dem bekannten Wettbewerb bekommen.
    Für mich der Einstieg auch in eine umfassende Bearbeitung des Themas. Ich hätte mir gewünscht, im Kontext der AMS-Ausstellung dazu mal nach Siegen kommen zu dürfen Auch als langjähriges Vorstandsmitglied.
    U. a. soetwas stelle ich mir als integrative und kooperativ Geschichtsarbeit vor. Da lässt sich von der damaligen Projektgruppe am Häusling noch lernen.

  4. Die VVN-BdA Siegerland-Wittgenstein hat im Mai 2013 auf dem Friedhof in der Fludersbach eine Gedenkveranstaltung zum Jahrestag der Befreiung durchgeführt. https://www.vvn-bda-siegen.de/termine.html#mai13 Einen Schlüssel brauchten wir nicht. Dort wurde auch die Gedenkortidee und die Idee eines Verkehrsschildes mit Hinweis auf den Friedhof zum ersten Mal geäußert. Fast alle TeilnehmerInnen waren damals zum ersten Mal auf dem Friedhof und erfuhren erst duch unsere Einladung von dessen Existenz. Vor gar nicht allzu langer Zeit wurden beide Gedanken dem Bürgermeister im persönlichen Termin und auf anderem Wege vorgebracht. Ebenso die Sorge um das Verschwinden des Hilfskrankenhauses. Da der Kreisel am Schleifmühlchen gerade neu entsteht, war das für uns der richtige Zeitpunkt die Idee eines Siegener Verkehsschild „NS-Gedenkstätte“ ins Rennen zu schicken. Ich überließ auch die Pläne des KH aus Uli Opfermanns Buch dem BM. Leider haben wir nichts mehr gehört, außer das Edeka dort bauen will. Ich hatte da noch angekündigt nötigenfalls mit dem Konzern über eine Form der Erinnerung dort zu sprechen (Stolperstein, Gedenktafel, Mahnmal). Mir sind diese Hinweis an dieser Stelle hier wichtig. Was ist denn eigentlich aus der Günen-Idee geworden? Auch davon nix mehr gehört…
    http://zwangsarbeit-im-siegerland.de/

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