Siegener Arbeitskreis Straßennamen: Infoveranstaltung am 13. September


Mit der Aufarbeitung von historischen Hintergründen der Straßennamen in Siegen hat sich auf Beschluss des Rates der Stadt Siegen seit Juni 2021 ein interfraktioneller Arbeitskreis befasst. Der hierbei in zehn Sitzungen entstandene Arbeitsbericht soll im Rahmen einer Bürgerinformationsveranstaltung am Dienstag, 13. September 2022, um 19.00 Uhr, im Großen Saal der Bismarckhalle in Siegen-Weidenau vorgestellt werden.

Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, an der Veranstaltung teilzunehmen und ihre Fragen an die anwesenden Vertreterinnen und Vertreter von Politik und Verwaltung zu richten. Die Beratung und Beschlussfassung zum weiteren Vorgehen wird danach voraussichtlich in der Sitzung des Rates der Stadt Siegen am 19. Oktober 2022 erfolgen.

Zum Hintergrund
Einen Platz oder eine Straße nach einer Person zu benennen, stellt eine außerordentliche Ehrung dar und zeichnet diejenigen Persönlichkeiten aus, die sich in besonderem Maße um das Gemeinwesen verdient gemacht haben. Eine Diskussion um Straßennamen in Siegen hielt der Rat für erforderlich, um sicherzustellen, dass den Namensgebern auch im Lichte der historischen Betrachtung eine solche Hervorhebung zugestanden werden kann. In der Sitzung am 24. Juni 2020 wurde daher die Einsetzung des Arbeitskreises „Aufarbeitung der historischen Hintergründe von Straßennamen“ zur Auseinandersetzung mit kritischen Straßenbezeichnungen beschlossen.
Quelle: Stadt Siegen, Pressemitteilung v. 05.09.2022

15 Gedanken zu „Siegener Arbeitskreis Straßennamen: Infoveranstaltung am 13. September

  1. Quasi vorab veröffentlichte Bernd Plaum eine sachliche Kritik an der Arbeit des Arbeitskreises und am Abschlussbericht – https://geschichtswerkstatt-siegen.de/2022/02/11/umbenennung-von-strassennamen/#comment-101 – , der man sich nur anschließen kann.
    Haben die Medien, die Wissenschaft oder die anderen Institutionen alles richtig gemacht? Sicher nicht und es ist zu hoffen, dass alle (!) Beteiligten hieraus für zukünftig sicher anstehende, erinnerungspolitische Diskussionen ihre Lehren ziehen.
    Plaum hatte schon auf die selektive Literatur- und Quellenauswahl hingewiesen. Man kann möglicherweise nachvollziehen, dass ein Bericht eines politischen Arbeitskreises keine wissenschaftliche Abschlussarbeit ist. Allerdings wirkt es befremdlich, wenn einschlägige Literatur nicht erwähnt wird, die explizite Hinweise zum Untersuchungsgegenstand des Arbeitskreises enthält. Gerhard Scholl veröffentlichte 1954 die Miszelle „Die Straßennamen der Stadt Siegen“ (Siegerland, S. 7 – 28). Das Straßenverzeichnis, der Hauptbestandteil der Veröffentlichung, enthält einige interessante Aspekte:
    – Die Benennung der Albert-Richartz-Straße erfolgte nach dem Mitinhaber der Siegener Firma Betrams kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Firma Betrams hat Zwangsarbeiter:innen eingesetzt.
    – Die Haroldstraße trägt ihren Namen nach der Titelfigur Hermann Bellebaums „Harold der Zigeunerkönig“.
    – Die Martin-Luther-Straße ist eine Umbenennung aus dem Jahr 1935; sie hieß vorher Obere Häuslingstraße.
    – Die Saarbrücker Str. am Wellersberg soll 1935/36 an die Rückgliederung des Saarlandes in des nationalsozialistische Deutsche Reich erinnern.
    Ich bin mir sicher, dass diese Hinweise im Arbeitskreis diskutiert und bewertet worden sind. Aber warum finden sie sich nicht im Abschlussbericht wieder?

    Problematisch ist, wie schon Plaum für Graf Luckner gezeigt hat, ist die fehlende Begründung, warum jemand als unbelastet eingestuft wurde. Dies zeigt auch ein Blick auf den Entwurf eines Biogramms zu Dr. Hermann Böttger – man hätte sich auch für alle „unbelasten“-Eingetuften eine fundierte Begründung gewünscht: http://www.siwiarchiv.de/wp-content/uploads/2022/09/boettger.pdf

  2. Pressemitteilung der Stadt Siegen, 20.9.2022:

    Empfehlungen des Arbeitskreises „Straßennamen“ bei Bürgerinfo vorgestellt

    Die historischen Hintergründe von Straßennamen in Siegen hat der interfraktionelle Arbeitskreis „Straßennamen“ in zehn Sitzungen aufgearbeitet. Die Ergebnisse wurden jetzt (Dienstag, 13. September) bei einem Bürgerinfoabend im Großen Saal der Bismarckhalle in Weidenau vorgestellt.

    Bürgermeister Steffen Mues begrüßte die zahlreichen Bürgerinnen und Bürger und ordnete die intensive Auseinandersetzung der Arbeitskreis-Mitglieder mit der Geschichte ein: „Es geht hier nicht um ein paar Namensschilder aus Metall, sondern darum, womit wir uns als Stadt Siegen identifizieren.“

    Die Empfehlungen des Arbeitskreises, in dem Mitglieder aller im Rat vertretenen Fraktionen vertreten sind, seien einstimmig gewesen. „Die Benennung einer Straße nach einer Person ist eine der höchsten Ehrungen, die eine Stadt einem Bürger oder einer Bürgerin gewähren kann“, so Mues. Ziel des politisch eingesetzten Arbeitskreises sei es, und damit auch Wunsch der Politik, auf Basis „unserer heutigen freiheitlich-demokratischen Werteordnung zu empfehlen, ob die Straßennennung aufgrund einer Belastung aus der NS-Zeit noch angemessen erscheint oder nicht“.

    Vor der engagierten Diskussion mit der Bürgerschaft, darunter viele Anwohnerinnen und Anwohner, hatten die Organisatoren einen Info-Block mit Kurz-Vorträgen der beteiligten Fachleute vorangestellt. Ziel war es, das komplexe Thema „Straßenumbenennung“ aus verschiedenen Perspektiven zu erläutern. Vertreter des Arbeitskreises mit Raimund Hellwig (FDP) als Vorsitzendem, Martin Heilmann (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen) und Erik Dietrich (Volt-Fraktion) stellten den Abschlussbericht im Detail vor. Sie erläuterten die biographischen Hintergründe der Namensträger, die aktiv in der NS-Zeit beteiligt waren. Der Arbeitskreis empfiehlt, sieben historisch belastete Straßen in Siegen umzubenennen.

    Darauf lag auch der Fokus bei der Bewertung der Straßennamen durch den Arbeitskreis: auf in der NS-Zeit auffällig gewordene Personen sowie auch Wegbereiter des Nationalsozialismus seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Der Arbeitskreis gelangte zu einer Einteilung in drei Kategorien. Am Ende waren es 23 Personen, davon fielen sieben (Straßen-)namen in die Kategorie A „schwere Belastung, Umbenennung empfohlen“. Konkret handelt es sich um die Adolf-Wagner-Straße, die Bergfriederstraße, Diemstraße, Hindenburgstraße, Lothar-Irle-Straße, Porschestraße und Stöckerstraße.

    Seitens der Verwaltung gab Stadtarchivar Dr. Patrick Sturm einen Überblick über die historische Entwicklung von Straßennamen („Jede Generation muss für sich aushandeln, welche Straßennamen ehrungswürdig sind“) und stellte beispielhaft Verfahren von Straßenumbenennungen in anderen Kommunen vor. Andreas Becher, Leiter der Abteilung Vermessung und Geoinformation, informierte, wie eine Straßenumbenennung in der Praxis vonstattengeht und den praktischen Ablauf. Ihre Rechtwirkung entfalte eine Straßenumbenennung nach der öffentlichen Bekanntmachung. Becher betonte außerdem, dass die Behörden wie Finanzamt oder Rentenversicherung von städtischer Seite über eine mögliche Namensänderung informiert würden.

    In der gut gefüllten Bismarckhalle nutzten im Anschluss vor allem Anwohnerinnen und Anwohner der von einer Umbenennung möglicherweise betroffenen Straßen die Gelegenheit zur Diskussion. Die finale Entscheidung, ob die genannten Straßen umbenannt werden, trifft der Rat in seiner Sitzung am Mittwoch, 19. Oktober 2022.

  3. Heute findet sich der Leserbrief „Lösungen nicht durchdacht“ in der Westfälischen Rundschau, der die Berichterstattung über die Bürgerbeteiligung zum Anlass nimmt, sich mit der vorgeschlagenen Umbenennung der Porschestr. zu beschäftigen.

    • Heute erschien als Antwort auf diesen Leserbrief folgender Leserbrief „Ewig gestrige Person“ in der Westfälischen Rundschau (Print), der zu Lothar Irle u.a. folgendes ausführt: “ …. Aufsatz „Der Brauerei- und Brennereibesitzer-Zweig Irle in Marienborn“, erschienen im August 1934 in Dortmund in der „Familienzeitung des Geschlechtes Irle“, Band 2 Heft 4, auf S. 33 – 40, …. Dieser Aufsatz wird eingeleitet mit den Sätzen: „Blut und Boden sind zwei der wichtigsten Schlachtrufe aus dem Kampf um den sozialistischen Staat auf völkischer Grundlage. In diesem Kampf hören wir weder den einen noch den anderen Begriff allein, beide gehören zusammen wie die Begriffe Nationalismus und Sozialismus, Führer und Gefolgschaft, Mutter und Kind. Wenn man eins von dem anderen trennt, entstehen Unnatur und Zerrüttung geregelter Verhältnisse.“ ….
      Als Vorsitzender des SGV-Bezirksverbands Siegerland durfte Lothar Irle während der 650-Jahr-Feier …. Grissenbach im Juli 1961 die anschließend in der angesehenen Zeitschrift „Siegerland“ im Wortlaut veröffentlichte Festrede halten. Wenn er darin u.a. bedauerte, wie klein im Siegerland die den Volkstanz pflegenden Gruppen gegenüber denen seien, die ‚den Tänzen der Primitiven huldigen‘, so zeigt dies doch mehr als deutlich, wie er sein völkisches, ja weiterhin braunes Denken ungestört in die bundesrepublikanische Siegerländer Gegenwart transportieren konnte. ….“

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