Diskussion im Stadtrat Siegen zur Umbenennung der Alfred-Fissmer-Anlage

Herr Walter stellt bei der Betrachtung der Benennung von Straßen, Wegen und Plätzen in den letzten 70 Jahren große Unterschiede fest. Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Adolf-Hitler-Straße und die nach anderen Führungspersonen in der NS-Zeit sofort umbenannt. 1947 gab es eine bemerkenswerte, differenzierte Debatte im Siegener Rat über eine Anordnung der Militärregierung, die Alfred-Fissmer-Straße und die Hindenburgstraße umzubenennen. Gleichzeitig erklärt der damalige Oberbürgermeister Weisselberg „Herr Oberbürgermeister Fissmer hat keinen Wert auf diese Straßenbenennung gelegt.“ Der Kommunist Emil Graskamp bat darum, die Straße nach dem im Konzentrationslager verstorbenen Walter Krämer zu benennen. Drei andere Stadtverordnete baten um eine neutrale Straßenbezeichnung. Ein Sozialdemokrat bat darum, sämtliche Straßen, die nach Militaristen benannt sind umzubenennen. Der Hauptausschuss schlug letztendlich die Umbenennung in Hubertusweg vor. Die Fissmer-Anlage wurde erst nach ihm benannt, als er schon 11 Jahre tot war.
Die FDP-Fraktion hat in den letzten Wochen viele Rückmeldungen bekommen, wie die Sie-gener zu der Frage der Umbenennung stehen. Wir müssen respektieren, dass viele alte Siegener Fissmer, aus nachvollziehbaren Gründen, sehr verehren. Es wurden aber auch viele Einwände laut, ob man denn auch genug über Fissmer wisse, um ihn mit gutem Gewissen zu ehren. Alfred Fissmer war zweifellos eine der großen Persönlichkeiten der Siegener Stadtge-schichte. Er war weder ein eifernder Nazi noch ein Kriegsverbrecher. Seine Rolle im Nationalsozialismus und damit ein zentraler Teil der Siegener Geschichte ist aber noch nicht ausreichend erforscht.

Deshalb haben wir uns dafür ausgesprochen, nicht mit dem Radiergummi durch Teile der Stadtgeschichte zu gehen und finden es schlüssig, heute den Arbeitskreis „Straßennamen“ wieder ins Leben zu rufen. Dieser Arbeitskreis kann Impulse geben, wie Straßennamen und Stadtgeschichte, konkret auch mit einer möglichen Umbenennung, verfahren wird. Abschließend weist er auf den Bürgerantrag als Ausgangspunkt der Diskussionen hin, den der Rat zu entscheiden hat, nachdem der Hauptausschuss diese Entscheidung vor zwei Jahren aufgeschoben hat. Es geht nicht um eine Initiative, die die FDP angestoßen hat. Es geht auch nicht um den Namen der Anlage. Es gehtdarum, mit dem Ehrenbürger der Stadt Siegen fair und gerecht umzugehen.

Frau Schneider widerspricht ihrem Vorredner. Je früher die Anlage einen anderen Namen erhält desto besser. Nach Aussage in der Verwaltungsvorlage hat Fissmer mehrmals die Aufnahme in die NSDAP angestrebt. In ihren Augen hat er Machenschaften der Nazis mit getragen und vielleicht sogar aktiv unterstützt. Auch den Bau der Bunker herauszustellen ist für sie abwegig, da Bunker für den Krieg gebaut werden und nicht für den Frieden. Die Benennung einer Straße, eines Platzes o. ä. ist eine Ehrung für einen Menschen, der herausragendes getan hat. In ihren Augen steht Fissmer eine solche Ehrung nicht zu.
Die Fraktion DIE LINKE möchte eine Anlage mit Aufenthaltscharakter, wo keine Auseinander-setzungen stattfinden, wo die Leute Schach spielen und die Zeit genießen. Außerdem gibt es noch mehr Straßen in der Stadt, die umbenannt werden müssten wie z. B. Lothar Irle, Bismarck und Hindenburg, um nicht immer an diese Menschen im Alltag erinnert zu werden.
Bürgermeister Mues weist darauf hin, dass das Biogramm nach eingehender Recherche im Stadtarchiv erstellt und versucht wurde, sachlich aus allen zur Verfügung stehenden Quellen die Angaben zur Person Alfred Fissmers zusammen zu fassen. Es ist daher nicht opportun, aus dieser Zusammenfassung einen einzigen Satz herauszugreifen und diesen negativ auszulegen, andere Teile aber, wie z. B. Schilderungen von Zeitzeugen die Fissmer kannten und die auch in der Stadtgeschichte eine wichtigen Rolle gespielt haben wie Fritz Fries oder Hugo Hermann, völlig außer Acht zu lassen. Die Schwierigkeit besteht darin, eine Person 80 bis 90 Jahre nach dessen Wirken möglichst objektiv zu beurteilen. Wenn die Mitgliedschaft in der NSDAP das einzige Kriterium ist, wird man vielen Menschen in der damaligen Zeit extrem Unrecht tun.
Frau Fries verweist auf die seit Wochen im siwiarchiv-blog geführte Debatte, wo Vertreter ihrer Generation sich ein vernichtendes Urteil über Fissmer anmaßen.
Sie hat dazu einen Auszug aus einem Vortrag von Hugo Hermann, dem letzten Vertreter der jüdischen Gemeinde, den er am 09. November 1962 in der Friesenhalle gehalten hat, eingestellt.
Sie zitiert umfassend daraus: „In Siegen geschah weiter nichts, während man sich in allen Dörfern und Städtensich nicht damit begnügte die Synagogen zu zerstören, plünderte man die Geschäfte und demolierte die Wohnungen der Juden. Das haben die Siegener Juden dem damaligen Oberbürgermeister Fissmer zu verdanken. Derselbe soll erklärt haben, dass er an der Vernichtung der Synagoge und der Verhaftung der Juden nichts ändern könne, aber für die Ruhe und Ordnung in der Stadt Siegen habe er zu sorgen. So kam es, dass in unserem Privathaus am Giersberg die ganze Nacht ein Kriminalbeamter gewacht hat. Wohl einmalig in Deutschland. Anderntags fand man in unmittelbarer Nähe Haufen von Flaschen und Steinen. Und wenn das die einzige mutige Tag Fissmers in der Zeit der Nazidiktatur gewesen sein sollte, so verdient sie die Anerkennung und die Beibehaltung der Alfred-Fissmer-Anlage.“ Sie sichtet und sortiert derzeit auch den persönlichen Nachlass von Hugo Hermann, der in seinen vielen Vortragsmanuskripten immer wieder auf das Verhalten von Alfred Fissmer verwiesen hat.
In einem Buch des Historikers Wolfgang Benz von 2018 zur 80. Wiederkehr der November-Progrome entzieht dieser dem Mythos von der schweigenden, aber das Progrom doch missbilligenden Mehrheit der Deutschen Bevölkerung den Boden. Nachweislich der Quellen finden sich kaum Belege der Solidarität, fast überall herrschten Zerstörung und Plünderungen, ja auch brutale Misshandlungen und Tötung der jüdischen Mitbürger.
Ergänzend schildert sie die Geschichte der Familie Frank, wo SA-Leute vor den verbarrikadierten Laden gestellt, aber durch Kreisleiter Paul Preuser lediglich die Kundenkartei beschlagnahmt wurde. Das Geschäft war das letzte im Besitz eines Juden. Preuser hat dafür gesorgt, dass er die staatlichen Bedarfsdeckungsscheine annehmen durfte. Familie Fries.wohnte von 1931 bis 1941 im Wohn- und Geschäftshaus Frank. Ihr Vater und sein Freund Wilhelm Steinbrück haben Preuser zu verdanken, dass sie nicht, wie von der SA beabsichtigt, als politische Gegner in einem Triumpfzug nach der Machtübernahme vorgeführt wurden. Zum Kauf des Synagogengrundstücks ist noch zu bemerken: über den Ankauf des Grundstücks von der Synagogengemeinschaft Siegen entspann sich ein unwürdiges und langwieriges Verfahren. An der Abwicklung wird deutlich, wie alle an der Behördenentscheidung beteiligten vom Stadtinspektor bis zum Oberbürgermeister und Regierungspräsidenten in Arnsberg um einen legal erscheinenden Vorgang bemüht waren. Antisemitische Verordnungen zwangen zum Verkauf, das bedeutete eine völlige Entrechtung. Im Auftrag der NSDAP wurde die Ruine abgebrochen. Die Kosten für die Abräumarbeiten in Höhe von 2000 Reichsmark wurden der jüdischen Gemeinde aufgebürdet. Am 20. Juli 1940 erfolgte die Übertragung im Grundbuch. Mit lediglich 5.500 Reichsmark wurde das Grundstück bewertet. Eduard Hermann, der Vater von Hugo, sorgte dafür, dass die Witwe des Maklers die Ver-kaufsprovision von 225 Reichsmark erhielt. Die Restsumme ging an das Referat Juden und Judenangelegenheiten, Amt 4 b der Geheimen Staatspolizei im Reichssicherheitshauptamt und wurde für die Finanzierung der Fahrtkosten der Deportationen benutzt. Soweit ihre Zu-sammenfassung.
Als weitsichtigen Verwaltungsfachmann hat sie Herrn Fissmer bei ihrem Aufsatz über die kommunale Neugliederung am Beispiel von Weidenau kennengelernt. Erst heute Morgen hat sie darüber hinaus noch erfahren, Fissmer soll verhindert haben, dass die Symbolfiguren Henner und Frieder eingeschmolzen wurden.
Herr Groß möchte nicht jeder Facette der Statements seiner Vorrednerinnen folgen. Diese zeigen aber sehr eindrucksvoll, dass die Realität nicht schwarz und weiß ist. Menschen handeln in Widersprüchen und haben in aller Regel gute und schlechte Seiten. Der Beitrag von Traute Fries zeigt dies deutlich, ermahnt aber vor allem dazu, sich mit den Themen dieser Stadt, egal ob es um die Benennung einer Straße, eines Platzes o. ä. auseinander zu setzen. Er erinnert an den Arbeitskreis, der sich mit der Benennung von Straßen, Plätzen und auch der Fissmer-Anlage befassten sollte, der aber in dieser Wahlperiode nicht mehr aktiv war. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist der Meinung, dass ein solcher Arbeitskreis wichtig ist, nicht nur wegen der aktuellen Diskussion. Vielmehr ist es gut für eine Stadt wie Siegen, eine Erinnerungskultur allgemein zu entwickeln, zu überlegen, wie man mit diesen Fragestellungen insgesamt umgeht.
Vor diesem Hintergrund wurde ein alternativer Vorschlag erarbeitet, der auch Bestandteile des Verwaltungsvorschlages beinhaltet, aber zu einem anderen Ergebnis kommt:

1. Der Rat der Stadt Siegen beschließt, eine Informationstafel zu Alfred Fissmer analogbis-heriger Hinweise an der Anlage anzubringen.(= Vorlage)
2. Form und Inhalt der Informationstafel werden dem Fachausschuss zur Beratung und Be-schlussfassung vorgelegt. (Hier halten die Grünen es für wichtig, dass sich die politischen Gremien sehr dezidiert damit befassen können und letztlich das Meinungsbild in der Politik dargestellt wird.)
3. Darüber hinaus werden auf der Website „unser-siegen.com“ weitergehende Informatio-nen zur Verfügung gestellt. (= Vorlage).
4. Der Rat der Stadt Siegen empfiehlt die Wiedereinsetzung eines Arbeitskreises, der sich mit den kritischen Namensgebungen von Straßen, Orten und Plätzen in unserer Stadt befasst und Leitlinien für eine Erinnerungskultur entwickelt und ggfs. Empfehlungen zu neuen Namensgebungen oderInformationstafeln zur kritischen Würdigung der Personen vorschlägt.
Abschließend stellt er fest, dass damit keine schnelle Lösung eines aktuellen Themas erreicht, aber der richtige Weg eingeschlagen wird. Herr Schulte kann sich der Einrichtung eines Arbeitskreises anschließen, zumal keine unbedingte Notwendigkeit für eine Umbenennung der Anlage besteht.
Seines Erachtens ist Alfred Fissmer eine schillernde, aber sehr wichtige Figur in der Stadtgeschichte, an der sich viel in der Zeit zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg und der Kriegszeit ablesen lässt. Er ist in gewissem Sinne kein Einzelfall, sondern fast schon ein Prototyp für viele Menschen im Deutschland der damaligen Zeit. Menschen, die nicht den Willen oder die Notwendigkeit sahen oder auchnicht die Möglichkeit hatten das Land zu verlassen. Menschen, die auch nicht für sich den Willen hatten oder die Notwendigkeit sahen, aktiv Wiederstand zu leisten, wozu damals eine Menge Mut gehörte. Menschen, die im Prinzip versuchten, sich in dieser neuen Situation zurecht zu finden.
Den Vorwurf der NSDAP-Mitgliedschaft sieht er ebenfalls differenziert. Die Mitgliedschaft als solche lässt leider nicht den eindeutigen Schluss zu, dass jemand überzeugter Nationalsozialist sei. Das ist eine völlig unhistorische Annahme. Es haben viele Leute diese Parteimitgliedschaft angestrebt, um einfach ihre Positionen halten zu können. Wahrscheinlich wäre Alfred Fissmer nicht bis 1945 Bürgermeister von Siegen geblieben, wenn er nicht in die Partei eingetreten wäre. Weniger leicht ist zu verstehen, warum er seit 1933 Fördermitglied der SS war, denn dort gab es keinerlei Vorteile, die zum Überleben dienten. Bedenklich erscheint ihm auch, dass Fissmer die Dankbarkeit von Fritz Fries bei der Entnazifizierung genutzt hat, um seinerseits Persilscheine für örtliche Nazigrößen auszustellen.
Auf der anderen Seite steht das Verhalten Fissmers bei der Reichsprogromnacht, wo er zwar nicht das Brennen der Synagoge, aber Plünderungen verhindert hat. Der Bunkerbau hatte im Wesentlichen erst im Herbst 1939 begonnen. Wer damals, als der Krieg bereits begonnen hatte nicht ahnte wo das hinführen könnte war etwas blauäugig. Da hat Fissmer die Lage richtig eingeschätzt und das Richtige getan. Dass er für die Militarisierung verantwortlich war, indem er den Bau der Kasernen auf dem Heidenberg und auf dem Fischbacherberg vorangetrieben hat, das ist wieder eine andere Seite seiner Person. Es gibt Licht- und Schattenseiten, menschlich scheint er ein recht pflichtbewusster Mensch gewesen zu sein.
Wenn es darum ginge, heute eine neue Anlage nach Herrn Fissmer zu benennen, hielte er den Vorschlag für nicht geeignet. Aber die Anlage ist vor über 60 Jahren nach ihm benannt worden und ist auch ein Teil der Erinnerungskultur. Er lehnt es ab, die Stadt von allem zu „tilgen“ was nicht in das eigene politische Konzept passt, denn es gehört zur Stadtgeschichte. Mit der Vernichtung von Denkmälern wird auch das Erinnern daran vernichtet, dann gerät in Vergessenheit, was geschehen ist. Vielmehr braucht es eine erläuternde Tafel, auf der die verschiedenen Facetten beschrieben sind. Es geht um ein historisches Gedächtnis und die historische Einordnung in die Zeit.
Herr Dr. Henrich teilt die Auffassung, bei Persönlichkeiten positives und negatives abzuwägen. Letztendlich muss jeder Einzelne entscheiden, welches Gewicht er welchen Fakten beimisst. Entgegen der Auffassung seines Vorredners versteht er die Benennung einer Straße oder eines Platzes nicht nur als Erinnerung, sondern durchaus als Ehrung. Abschließend befürwortet er die Einsetzung eines Arbeitskreises, um weiteres Abwägungsmaterial für die individuelle Entscheidung zu erarbeiten.
Frau Eger-Kahleis begrüßt die Vorlage der Verwaltung, der sie zustimmen kann. Sie ist dagegen, Geschichte in Zeitgeist umzudefinieren, weshalb sie die Wiederauflage eines Arbeitskreises ablehnt. Sie selbst war seinerzeit Mitglied des Arbeitskreises Straßenbenennungen, wo die Fragestellungen gründlich aufgearbeitet wurden. Damit ist das Thema abgeschlossen.
Herr Weber sieht den Arbeitskreis als das richtige Gremium, um z. B. Parteimitgliedschaften oder besondere Verdienste im Kontext mit den jeweiligen Gegebenheiten und dem Zeitgeist zu diskutieren und einzuordnen.
Frau Fries hält es dagegen für unsinnig, den Arbeitskreis wieder aufleben zu lassen. Dieser wurde seinerzeit eingerichtet vor dem Hintergrund, dass das Thema bei der Benennung von Straßen und Gebäuden immer wieder hochkochte. Damals sind keine konkreten Entscheidungen gefallen und sind auch jetzt nicht zu erwarten. Sie hält es für richtig, dass sich der Kulturausschuss, wie bisher auch, mit den Informationstafeln befasst.
Herr Klein erachtet die Diskussion generell als wichtig, möchte aber hier und heute keine Entscheidung treffen, ohne die Fakten aufgearbeitet zu haben. Daher befürwortet er die Einrichtung eines Arbeitskreises und sieht es letztendlich als Thema für die Politik, wie sie mit dessen Ergebnissen umgeht.
Den Einwänden von Herrn Schulte betreffend die Einrichtung eines politisch besetzten Arbeitskreises widerspricht Bürgermeister Mues. Alle Beteiligten haben mit hohem Engagement daran gearbeitet, alle in Rede stehenden Personen sachlich fundiert zu würdigen. Seines Erachtens ist es der Rat der Stadt Siegen und ihrer Geschichte schuldig, möglichst objektiv da, wo Personen verewigt sind, diesen aus der jetzigen Sicht eine Würdigung zukommen zu lassen.
=>Auf Antrag der SPD-Fraktion wird die Sitzung von 20.20 Uhr bis 20.30 Uhr unterbrochen.
Herr Schiltz erklärt, die SPD-Fraktion werde der Einrichtung eines Arbeitskreises (für die nächste Wahlperiode) zustimmen davon ausgehend, dass dessen Ergebnisse letztlich in eine Vorlage für die Gremien münden.
Bürgermeister Mues stellt den von Herrn Groß vorgetragenen Antrag der Koalition als wei-tergehenden zur Abstimmung.
Beschluss:
1.Der Rat der Universitätsstadt Siegen beschließt, eine Informationstafel zu Alfred Fissmer analog bisheriger Hinweise (Acrylausführung) anzubringen.
2.Form und Inhalt der Informationstafel werden dem Fachausschuss vorher zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt.
3.Darüber hinaus werden auf der Website https://unser-siegen.com weitergehende Informationen zur Verfügung gestellt.
4.Der Rat der Universitätsstadt Siegen beschließt die Wiedereinsetzung eines Arbeitskreises, der sich mit den kritischen Namensgebungen von Straßen, Orten und Plätzen in unserer Stadt befasst und Leitlinien für eine Erinnerungskultur entwickelt und ggfs. Empfehlungen zu neuen Namensgebungen oder Informationstafeln zur kritischen Würdigung der Personen vorschlägt.

Beratungsergebnis: Einstimmig dafür, 3 Enthaltungen“

Quelle Stadt Siegen, Öffentliche Niederschrift der Stadtratssitzung vom 24. Juni 2020, zum TOP 21, S. 31 – 36

7 Gedanken zu „Diskussion im Stadtrat Siegen zur Umbenennung der Alfred-Fissmer-Anlage

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  2. Soeben (23.2.2021) hat der Siegener Kulturausschuss mit den Stimmen von CDU und SPD den Text einer Acryltafel über Alfred Fissmer beschlossen. Einen Kurztext für die Tafel und einen für eine im Netz abrufbare Langfassung. Höchst bedauerlich, dass damit auch eine Reihe von Ungenauigkeiten und Fehlern mit beschlossen wurden, über die man vermutlich noch diskutieren wird. Über die Fehler gesprochen hat dagegen heute niemand. Ein zaghafter Versuch, im Arbeitskreis Straßennamen nochmals über die Texte zu sprechen, scheiterte am unerschütterlichen Glauben von CDU und SPD. Grüne, Volt und Linke stimmten gegen den Entwurf.

    Fun Fact: Der Bürgerantrag aus dem Jahr 2018 ist nach wie vor nicht beschieden. Nachdem der Hauptausschuss die Thematik mit Hinweis auf Forschungen und eine Ausstellung eines Seminars der Uni hintangestellt hat, entschied der Rat in 2020:

    Beschluss:
    1. Der Rat der Universitätsstadt Siegen beschließt, eine Informationstafel zu Alfred Fissmer analog bisheriger Hinweise (Acrylausführung) anzubringen.
    2. Form und Inhalt der Informationstafel werden dem Fachausschuss vorher zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt.
    3. Darüber hinaus werden auf der Website https://unser-siegen.com weitergehende Informationen zur Verfügung gestellt. 4. Der Rat der Universitätsstadt Siegen beschließt die Wiedereinsetzung eines Arbeitskreises, der sich mit den kritischen Namensgebungen von Straßen, Orten und Plätzen in unserer Stadt befasst und Leitlinien für eine Erinnerungskultur entwickelt und ggfs. Empfehlungen zu neuen Namensgebungen oder Informationstafeln zur kritischen Würdigung der Personen vorschlägt. Beratungsergebnis: Einstimmig dafür, 3 Enthaltungen
    Zum Bürgerantrag kein Wort, auch wenn bis heute immer wieder suggeriert wird, die Fißmeranlage werde weiter durch Ratsentscheid Fißmeranlage heißen.
    Fun Fact 2: Der Rat entschied in den sechziger Jahren, die Anlage Fißmer-Anlage zu benennen, obwohl der Oberbürgermeister Fissmer mit Doppel-s hieß.
    Und hier der beschlossene Text in Kurz- und Langfassung zur geflissentlichen Betrachtung, verbunden mit dem Hinweis, dass man angesichts der Forschungslage Einzelheiten je nach Position begründet sehr unterschiedlich betrachten kann:

    Alfred Fissmer (1878-1966) war von 1919 bis 1945 Bürgermeister und Oberbürgermeister der Stadt Siegen. In seiner Amtszeit machte er sich durch die nachhaltige Förderung Siegens verdient, darunter weitsichtige Maßnahmen zu Stadtplanung, Infrastruktur und Bauwesen sowie eine vorbildliche Finanzpolitik. Auf Initiative Fissmers wurde Siegen durch die Ansiedlung mehrerer Kasernen zum Militärstandort. Auch betrieb er ein umfangreiches Luftschutzprogramm zum Schutz der Zivilbevölkerung. In der NS-Zeit war Fissmer Mitglied verschiedener NS-Organisationen und trat 1937 in die NSDAP ein, ohne als bekennender Nationalsozialist aufzutreten. Gleichwohl setzte er sich für Verfolgte des NS-Regimes ein. Er arrangierte sich mit den Machthabern, wohl um sein Amt zu erhalten, und war somit als Oberbürgermeister für die Vorgänge in Siegen mitverantwortlich. Nach dem Zweiten Weltkrieg trat Fissmer in die neu gegründete CDU ein und blieb im öffentlichen Leben präsent. 1953 wurde er zum Ehrenbürger der Stadt Siegen ernannt und erhielt das Bundesverdienstkreuz verliehen.

  3. Danke für diese Aktuelle Infos aus der Sitzung. Die Siegener Zeitung berichtet heute bereits – leider hinter der Bezahlschranke: https://www.siegener-zeitung.de/siegen/c-lokales/lothar-irle-ein-fall-fuer-die-experten_a226065?fbclid=IwAR0pe-dMCcL5Iy5-r17CFs7DOskWZRKddA76tpbkNNYmO_–A42WOC3mFoQ. Auf der Facebook-Seite der Siegener Zeitung wird dieser Artikel diskutiert: https://www.facebook.com/siegenerzeitung/posts/4188148704530847 .

  4. In der heutigen Print-Ausgabe der Siegener Zeitung erschien der Artikel „Kurzinfo als Klitterung kritisiert“ zur Disussion im städtischen Kulturausschuss zur Fissmer-Anlage.

  5. In der Kurzfassung des Fissmer-Anlage-Begleittexts heißt es im Anschluss an die seit Fissmers Verschwinden aus dem Amt vorgetragenen These, „auch betrieb er ein umfangreiches Luftschutzprogramm zum Schutz der Zivilbevölkerung.“ Damit erhält der Protagonist eine Lebensretter-Rolle, die dann mit seiner NS-Belastung verrechnet werden kann und die angesichts von Todesziffern, wie sie ohne Bunker anzusetzen wären, zu einem außerordentlich günstigen Saldo für den Belasteten führt.

    Es ist aber zu sagen, dass diese These ein reiner Mythos ist, denn:
    – Wenn bereits seit der Jahresmitte 1937 in Siegen mit dem Einbau von Luftschutzkellern in Neubauten begonnen wurde, war das keine lokale Initiative, die etwa von Fissmer ausgegangen wäre, sondern eine Folge ministerieller Verordnungen zum Luftschutz. Das Ministerium war das Reichsluftfahrtministerium unter dem Oberbefehlshaber der Luftwaffe Hermann Göring.
    – Zwar druckte eine Siegener Druckerei die reichsweit verbindliche „Ortsanweisung für den Luftschutz der Zivilbevölkerung“, verlegte und verteilte sie aber nicht. Fissmer hatte damit nichts zu tun.
    – Am 10.10.1940 trat mit Führerbefehl das „Führer-Sofortprogramm“ zum Bau von Luftschutzbunkern in Kraft. Für dessen Umsetzung war der Reichsminister für Bewaffnung und Munition Fritz Todt zuständig. Fissmer hatte mit der Entstehung dieses Befehls nichts zu tun.
    – In der Besonderen Anlage 10 des Mobilmachungsplans der Luftwaffe war die Stadt Siegen als einer von 104 Luftschutzorten I. Ordnung aufgeführt. Es gibt keinerlei Quellenbelege dafür, dass das auf Aktivitäten von Fissmer zurückzuführen ist. Es ergaben sich daraus Handlungsanweisungen für die Polizei, die Feuerwehr, die Technische Nothilfe, das DRK usw. Fissmer als regionaler Luftschutzleiter war hier in jeder Hinsicht allein ein Ausführender. Was dazu quellenmäßig vorliegt, ist ein nicht zuzuordnendes Konzept zu einem Brief des Landrats Weihe an das Luftgaukommando VI in Münster vom 26.5.1943. Es spricht, wie es dann vollzogen wurde, die Ausgliederung „wegen Schwierigkeiten der Betreuung“ von Eiserfeld, Niederschelden, Buschhütten, Kreuztal, Dreistiefenbach, Dillnhütten, Dahlbruch, Hilchenbach, Eichen, Freudenberg, Salchendorf, Neunkirchen und Netphen aus dem Bereich des Luftschutzortes I. Ordnung, also eine Herunterstufung an. Bei dieser Ausgliederung sieht Joachim Stahl Fissmer am Werk, dem die genannten Orte zuviel gewesen seien. Handfeste Belege kann er aber auch dazu nicht vorweisen. Sicher lässt sich sagen, dass sich auch dazu – erstrangiger Schutz für Siegen, nachrangiger für die anderen -, was Fissmer angeht, überhaupt nichts Gesichertes sagen lässt.

    Bei keinem dieser Vorgänge hatte der OB von Siegen mehr zu tun, als dass er sich an die Vorgaben zu halten hatte und schauen musste, dass andere sich daran hielten. Es gibt nicht den geringsten Ansatzpunkt, ihn zu einem Lebensretter zu machen. Diese Eigenschaft müsste, wenn das die Schlussfolgerung aus dem Bunkerbau sein soll, der NS-Spitze mit Hitler, Göring und Todt zugemessen werden. Die nun allerdings Bunker bauten, um Krieg gegen die Menschheit führen zu können. Fissmer in Siegen fiel im weiteren Verlauf zu, dass der Zwangsarbeitseinsatz effektiv war und dass in die fertigen Bunker nur reinkam, wer einen Ahnennachweis für seine „rassische“ Reinheit vorzulegen imstande war. Diese Praktiken retteten keine Leben.

    Quellen: Joachim Stahl, Bunker und Stollen für den Luftschutz im Raum Siegen, Kreuztal 1980; Holger Happel, Bunker in Berlin. Zeugnisse des Zweiten Weltkriegs, Berlin 2015; Siegener Zeitung, 8.6.1937

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