Burbach: Alte Vogtei ist eine „echte Schatztruhe“

Feierstunde zur Fertigstellung des historischen Amtshauses

Erstmals öffnete die Alte Vogtei nach ihrer Sanierung die Pforten für eine erste, kleine Feierstunde. © Gemeinde Burbach


Sieben Jahre nach der ersten Idee, die Alte Vogtei neu zu erfinden, freuen sich die Gemeinde Burbach als Eigentümerin und ihr enger Kooperationspartner, der Heimatverein Alte Vogtei Burbach e.V., dass die Sanierung und der Umbau des historischen Amtshauses sowie der angrenzenden Zehntscheune nun endlich abgeschlossen sind. Das über 300 Jahre alte Fachwerkgebäude ist nicht nur instandgesetzt worden, sondern wurde unter strenger Beachtung des Denkmalschutzes zu einem modernen Begegnungs-, Besucher- und Erlebniszentrum weiterentwickelt, ohne seine architektonische Identität und Authentizität zu verlieren. „Das ist schon ein großer Tag für unsere Gemeinde. Ein Tag, auf den ganz viele Beteiligte lange hingearbeitet haben; ein Tag, auf den die Bürgerinnen und Bürger aus Burbach gespannt und teilweise sehnsüchtig gewartet haben“, stellte Bürgermeister Christoph Ewers das hohe Interesse an dem Projekt jetzt im Rahmen einer kleinen Feierstunde fest. Unter den geladenenen Gästen, denen das neu strukturrierte und umgebaute 320 Jahre alte Wahrzeichen vorgestellt wurde, war auch Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen.

Großes Lob der NRW-Ministerin

„Mit der Alten Vogtei haben Sie eine echte Schatztruhe“, lobte der hohe Gast aus Düsseldorf. In ihrem Grußwort betonte die Ministerin, was nötig ist, um Projekte wir dieses zu realisieren. „Es braucht das Engagement von Menschen, um andere Menschen für Heimat mitzunehmen!“ Dies sei in Burbach ganz offensichtlich der Fall. Damit die Kreativität und der Enthusiasmus in Burbach nicht einschlafen, hatte Ina Scharrenbach zudem noch eine gute Nachricht im Gepäck: Die Gemeinde darf für die geplante Sanierung des Mehrgenerationen-Sport- und Skaterparks fest mit Fördergeldern des Landes i.H.v. 730.000 Euro rechnen, dies sei im Rahmen des Programms „Sportstätten – wir machen NRW fit“ beschlossene Sache. Auch die denkmalgerechte Instandsetzung der Bauhaus-Villa Landhaus Ilse wird Düsseldorf mit 580.000 Euro finanziell unterstützen. Insgesamt also 1,31 Mio. Euro für Projekte, die Burbach und seine Dörfer noch lebenswerter machen werden.

Als 2015 festgestellt wurde, dass sichtbare Schäden eine umfassende Sanierung der gesamten Fachwerkfassade erforderlich machen würden, war schnell klar, dass es damit allein nicht getan sein soll. Auch die Zehntscheune war stark renovierungsbedürftig, darüber hinaus stand der Heimatverein am Scheideweg und stellte die Frage: Wie soll es mit dem konzeptionell und baulich in die Jahre gekommenen Museum „Leben und Arbeiten in Burbach“ weitergehen? Im Dialog der Kommune mit dem Heimatverein wurde diese Frage rasch beantwortet: „Wir wollen groß denken“, so die Devise. Die Vision eines multifunktionalen Gebäudes von hoher städtebaulicher Qualität mitten im historischen Ortskern nahm Gestalt an. Konkretisiert wurde dieses erste Leuchtturmprojekt der Burbach-Initiative „LebensWERTE Dörfer“ im Rahmen eines aufwendigen Werkstattverfahrens durch das Büro PostWelters, an dessen Ende eine Fachjury den Entwurf von Team 51.5° Architekten rund um Prof. Swen Geiss aus Wuppertal im Dezember 2016 als Sieger prämierte. Auf Basis dieser Planung wurde die Öffentlichkeit in Form von Workshops an der weiteren Ausgestaltung beteiligt.

Glücksgriff für beide Seiten

„Damals wurden tolle Entwürfe eingereicht. Am Ende fiel die Entscheidung der Fachjury jedoch eindeutig aus. Jetzt zur Eröffnung können wir sagen: Es war die richtige Entscheidung. Prof. Geiss hat das Projekt auch in den schwierigen Phasen mit viel Herzblut und unermüdlichem Engagement begleitet. Er hat für alle Herausforderungen stets kreative wie funktionale Lösungen gefunden und der Gemeinde und dem Heimatverein stets das Gefühl gegeben, dass die Alte Vogtei bei ihm in den besten Händen ist“, loben Bürgermeister Christoph Ewers und Heimatvereinsvorsitzender Volker Gürke unisono. Zumal für die baulich ohnehin anspruchsvolle Gesamtmaßnahme aufgrund der Corona-Pandemie und zuletzt auch wegen der Ukraine-Krise zusätzliche Hürden überwunden werden mussten.

Auch der Architekt nannte die Zusammenarbeit einen „Glücksgriff“. „Wir haben noch nie einen so engagierte öffentliche Bauherren erlebt“, gab es das Los an die Gemeindeverwaltung sowie die Ehrenamtlichen des Heimatvereins zurück. Ebenso sei die Kooperation mit den heimischen Handwerkern eine Freude gewesen. Die eigene Motivation für das Vorhaben beschrieb Prof. Geiss wie folgt: „Wir wurden inspiriert, das hier Heimat zunkunftsgerichtet, nach vorne gedacht wurde.“ Und das zu einer Zeit, in der gewisse Kräfte in Deutschland den Begriff Heimat ganz anders besetzen wollten. Der erste Eindruck von der Alten Vogtei sei außen „imposant“ gewesen. Innen wartete dann eine „fast dramatische Empfangssituation“ mit dem Treppenaufgang, Und ganz oben haben man einen „Dachraum im Dörnröschenschlaf“ vorgefunden, der aktiviert werden sollte. Die Zehntscheune sei „herlich authentisch“ gewesen. „Sie roch nach Gesammeltem, Schmiede und Brot.“ Architektonisch habe man sich von der Idee leiten lassen, die Ecken und Kanten des Gebäudes eben nicht glatt zu polieren. Die Besonderheiten, die Veränderungen im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte sollten erkennbar bleiben bzw. werden. „Die Gestaltzungsqualität liegt hier ganz klar in den Kontrasten.“

Komplizierter Abstimmungsprozess

Im März 2017 war aus dem Grobentwurf bereits eine detaillierte Entwurfsplanung geworden. Der Rat stimmte vorbehaltlich einer Förderzusage zu. Das Projekt profitierte dann vom  Sonderprogramm „Investitionspakt Soziale Stadt im Quartier“, das im Rahmen der Städtebauförderung aufgelegt worden war und die eine Förderquote von 90% versprach. Die Förderzusage über 3,11 Mio. Euro seitens der Bezirksregierung erreichte Burbach bereits im September 2017. Darüber hinaus erwies sich auch die Bewerbung zu einem von insgesamt sechs Naturparkzentren des Naturparks Sauerland-Rothaarsteig als erfolgreich. Ein wichtiger Baustein in der künftigen Funktion und Bedeutung der Alten Vogtei war somit frühzeitig sichergestellt und konnte in den weiteren Planungen berücksichtigt werden.

Nach einer europaweiten Ausschreibung konnten das Team 51.5° Architekten und Prof. Geiss im April 2018 schließlich mit der Realisierung der Sanierung und des Umbaus beauftragt werden. Es folgten weitere aufwendige Ausschreibungsverfahren, etwa für die für Ausstellungsmacher, die Berechnung der Statik und für die technische Gebäudeausrüstung (TGA). Parallel begann der langwierige und komplexe Prozess der Abstimmungen des Brand-und Denkmalschutzes, bei denen für zum Teil unvereinbar scheinende Anforderungen Lösungen gefunden werden mussten. Erst im Juni 2019 konnte der Bauantrag gestellt werden, der schließlich im Oktober 2019 vom Kreis Siegen-Wittgenstein genehmigt wurde. Dann endlich konnte gebaut werden. „Es gibt nur wenige Bauakten, die ich öfter auf dem Schreibtisch hatte“, bestätigte auch Landrat Andreas Müller die Komplexität des Unterfangens mit einem Schmunzeln. Als „Hicke“ und somit „halber Burbacher“ kenne er das Gebäude gut. „Als Burbach hat man über das ganze Leben immer wieder Berührungspunkte mit dem Haus.“ Es sei froh, dass es nicht an Menschen gemangelt habe, die sich von der Herausforderung abschrecken ließen.

Geschichte Burbachs soll erzählt werden

Seit Januar 2019 arbeiteten im Hintergrund die Ausstellungsplaner von BOK+ Gärtner aus Münster an dem Konzept der modernen, mit multimedialen Präsentationselementen ausgestatteten Dauerausstellung „Gemeinsam Burbach“. Es entstand ein Ausstellungskonzept, dessen Grundlagen von einer Arbeitsgruppe aus Gemeinde und Heimatverein mit fachlicher Begleitung durch Dr. Beate Bollmann, Museumsberaterin aus Oldenburg, erarbeitet wurden. „Wir wollen die 800-jährige Geschichte Burbachs erzählen und zeigen“, sagte Heimatvereinsvorsitzender Volker Gürke. „Es geht nicht um die Anhäufung von Objekten“, vielmehr solle die Historie über Anekdoten und ausgesuchte Exponate transportiert und erlebbar gemacht werden. Gürke erinnert überdies daran, dass es die Vorgängergeneration gewesen sei, der man noch heute die Alte Vogtei zu verdanken habe. „Wir wären heute nicht hier, wenn nicht einige Frauen und Männer vor 40 Jahren Rabatz gemacht hätten!“

Fortschritte zuletzt wöchentlich sichtbar

2020 stand ganz im Zeichen der Fassadensanierung sowie der Instandsetzung bzw. Erneuerung des gesamten Tragwerks. Lediglich acht der Originalbalken der ersten Geschossdecke konnten erhalten werden. In den höhergelegenen Stockwerken zeigte sich die Bausubstanz in einem besseren Zustand. Im Februar desselben Jahres erfolgte außerdem der Spatenstich zum neuen Backes, der heute das Gebäudeensemble als Teil der geförderten Gesamtmaßnahme im historischen Ortskern erweitert. Das Richtfest wurde 2020 gefeiert. Aufgrund der pandemischen Lage sollte es indes noch bis August 2021 dauern, bis der Ofen erstmals angefeuert wurde und die offizielle Inbetriebnahme im Rahmen einer kleinen Feierstunde stattfinden konnte.

Im Frühjahr 2021 waren die Rohbauarbeiten im Inneren des Amtshauses und der Zehntscheune abgeschlossen, die Dachsanierung sowie die Neu-Eindeckung des Dachs nahmen die erste Jahreshälfte in Anspruch. Ab Sommer konnte endlich der Innenausbau starten: Fortan gaben sich Elektriker, Maurer, Maler, Bodenleger, Heizungsbauer und Anlagenmechaniker die Klinke in die Hand. Die Fortschritte und teils rasanten Veränderungen konnten im Rahmen der wöchentlich stattfindenden Baubesprechungen regelmäßig nachvollzogen werden.

Der Aufzug- und Treppenturm: Die Kontroverse

Nach der Jahreswende nahmen die Ausstellungsbauer ihre Arbeit auf, während im Februar 2022 mit der Errichtung des Treppenturms die größte und eine kontrovers diskutierte bauliche Veränderung im Außenbereich begann. Der Anbau der Stahl- und Glaskonstruktion setzt die Anforderungen an die Barrierefreiheit des Gebäudes konsequent um und erfüllt überdies die strengen Vorgaben der LWL-Denkmalpflege in Münster, die eine klare optische Unterscheidung zwischen Amtshaus und Neubau fordert. Durch die Wahl des Materials wurde bewusst ein architektonischer Kontrapunkt zum historischen Fachwerk gesetzt, der zudem Bezug auf die Montangeschichte der Region nimmt und auf diese verweist – übrigens ganz im Sinne auch der sozial- und kulturhistorischen Dauerausstellung „Gemeinsam Burbach“, in der die Bedeutung der Siegerländer Bergbautradition und Eisenverarbeitung auch für die Gemeinde Burbach dargestellt wird.

Die ersten Möbelbauer sorgten ab April für das künftige Interieur der Alten Vogtei. Schränke, Küche und Empfangsbereich wurden auf Maß gefertigt, die Apotheke aus dem ehemaligen Museum „Leben und Arbeiten in Burbach“ in der Zehntscheune wurde in einem eigenen Raum von Grund auf neue aufgebaut. Ergänzt wurden diese Elemente mit wertigen Büro-, Seminar- und Veranstaltungsmöbel. Zeitgleich wurde das Pflaster des Vorplatzes aufgenommen und neu verlegt. Der Hang zum etwas höher gelegenen Backes wurde gestaltet, sodass der historische Amtssitz, die Zehntscheune und das neue Backhaus nun eine Einheit bilden und harmonisch miteinander in Verbindung gesetzt werden. Im Juli waren die Arbeiten im Außenbereich weitestgehend abgeschlossen.

Zum Vogteifest wird offiziell eröffnet

Seit dem 1. August wird die Inbetriebnahme vorbereitet. Der Bauhof übernahm die Bepflanzung, und seit Mittwoch erweitern die neuen Sonnenschirme die Nutzungsmöglichkeiten des Außenbereichs. Die hauptamtlichen Mitarbeiter haben inzwischen Büros bezogen, eine erste Trauung wurde bereits im Amtszimmer durchgeführt. Mit der Feierstunde für geladene Gäste besteht die Alte Vogtei ihre erste Feuertaufe, ehe sich die Pforten zum Vogteifest des Heimatvereins (ehemals Museumsfest) traditionell am letzten Augustwochenende, diesmal am 27. und 28. August, erstmals seit 2017 wieder für alle Burbacherinnen und Burbacher sowie interessierte Besucher öffnet.

Naturpark dankbar für den Standort

Doch schon heute sei ein perfekter Tag, meinte Bernd Fuhrmann als Vorsitzender des Naturparks Sauerland-Rothaargebirge. Und die Alte Vogtei sei eine „perfekte Symbiose“ aus Funktionalität und Erhaltung der Dorfgeschichte. „Was hätte ein schönerer Eingang in den Naturpark im Süden sein können als Burbach? Danke, dass wir mit unserem Info-Zentrum hier sein dürfen!“