Archivare aus dem Kreisgebiet VII: Hermann Engelbert (1880-1953)

Hermann Engelbert ist nunmehr der erste – wenn auch erzwungenermaßen – Medienarchivar in der kleine Reihe des Blogs zu Archivpersönlichkeiten aus dem Kreisgebiet:

geb.*1.5.1880[1] Hilchenbach, gest.: Hamburg- Bergedorf 9.12.1953[2]

Arbeiter- und Soldatenrat Siegen (1918)[3]

SPD[4]

Er schrieb unter dem Pseudonym „Frau Brätsch“ regelmäßig in der regionalen Siegener Volks-Zeitung der SPD, kommentierte die Politik und wandte sich nach der Erinnerung von Fritz Fries dort vor allem gegen den deutschnationalen Stahlhelm, einen engen Bündnispartner der NSDAP. “ …. Dabei hat er auch den damaligen Brigadeführer P[aul] Giesler schwer getroffen, der bis 1928 Stahlhelmführer des Siegerlandes war.
Auch Vorkommnisse besonderer Art in den Stadt-, Kreis- und Gemeindeparlamenten wußte er mit köstlichem Humor zu würzen. ….“[5]

Korrektor zu Kreuztal[6]

Eine Razzia bei dem SPD-Vorsitzenden Fritz Fries deckte sein Pseudonym auf. SA prügelte ihn aus der Schule und nahm ihn in „Schutzhaft„. Bei einer Hausdurchsuchung hatte man angeblich eine geladene Pistole in einem Schrank gefunden. Zu einem Verfahren gegen das Opfer des Überfalls wie in anderen Fällen führte das nicht, aber Hermann Engelbert wurde aus dem Schuldienst entlassen.[7]

Quelle: Siegerländer National-Zeitung. Amtliches Organ der NSDAP und amtliches Kreisblatt für Siegen-Stadt und -Land vom 27. Mai 1933

mehrfach kurzzeitig inhaftiert[8]

„… Die eigentliche Geburtsstunde des SZ-Archivs war das Jahr 1933. Hermann Engelbert (1880-1953), Lehrer, Schulrat, und bis dahin Kreisausschussmitglied der SPD, hatte unter den Schikanen der neuen Machthaber zu leiden und wurde aus allen seinen Ämtern entfernt.

„Seiner heimatkundlichen Arbeit sollten nun aber jene mikroskopischen Einblicke vermittelt werden, wie sie nur das tägliche Leben in den Spalten der Heimatzeitung widerspiegelt. Die Siegener Zeitung halt im die wirtschaftlichen Nöte überbrücken und berief ihn in das Zeitungsarchiv. Hier konnte er in den Büchern und alten Zeitungsbänden forschen, sichten ausschneiden, kleben und ordnen und an der Heimatzeitung für viele Siegerländer Gemeinden ein übersichtliches Nachschlagewerk schaffen“, heißt es in der SZ vom 15. Dezember 1953

Die verdienstvolle Arbeit von Hermann Engelbert bildet bis heute die Grundlage des Archivs, seine Nachfolger führten – und führen sie noch immer täglich – sorgsam fort“[9]

Unter dem Kürzel „hek“ (für Hermann Engelbert, Kreuztal) durfte Engelbert bei der Siegener Zeitung als Heimatautor weiter tätig sein. Dazu passte er sich in Ton und Inhalt deutlich den Zeitverhältnissen an.[10]

Selbstaussagen:[11]

„Du bist in dem verflossenen Vierteljahrhundert dem heimischen und deutschen Volkstum ein Segen gewesen. … Unser alterererbtes Heimatkundliches besteht aus … Findlingen und Teilstücken, die uns Deine anleitende Volkstums- und Heimatarbeit zum großen Bilde zusammensetzen ließ. Es muß wohl ein Stück Erbgut sein. … in nachdrücklichem Drängen ging uns ein Licht auf, daß unsere Dorfkirchhöfe keine Judenfriedhöfe sein dürfen … . … [es grüßt] in dir mit dankbarstem Herzen den Pfleger und Dolmetsch unserer Heimatliebe … der Mensch, der … die Seele unseres Bodens und Blutes darstellen möchte.“ (1936, zum 25jährigen des Siegerländer Heimatvereins)

„… Als Adolf Stoecker vor über 50 Jahren seine Heroldsrufe durch das deutsche Vaterland vernehmen ließ, horchte man besonders in unserer Heimat auf, und mit am aufmerksamsten die Siegerländer Lehrer. Da wurde auch dem jungen Jakob Henrich das Herz warm, und er konnte es nicht lassen, immer wieder davon zu reden und zu schreiben, was seine Seele erfüllte. Er hat sich’s Mühe und Arbeit kosten lassen, in der Heimat- und Volksgemeinschaft ein Dolmetsch der Stoeckerschen Forderungen zu sein. …“ (1937, zum 75. Geburtstag von Jakob Henrich)

„Das Siegerländer Gesicht: … wie sage ich’s meinen Blutsgenossen? … Unsere lieben Alten würden uns beim Anschauen sinnend ergründen lassen, was Freude und Leid, Sorge und Not, Einstehen und Kampf, Wind und Wetter, Beruf und Weltanschauung und Blut und vieles andere ins Gesicht hineinformen …, bis endlich das wunderbar schöne, ewige und vertraute Heimatgesicht ausstrahlt. … überall, wo unsere Heimatgrenze auch Stammesgrenze ist, werden dir unsere Leute aus einem natürlichen Gefühl sagen können: ‚Überläufer! Das Gesicht verrät ihn!‘ … Ist das nicht interessant, … hinauszuschauen über Vatergesichter und Muttergesichter, über unser Heimatgesicht in die Gesichter, die anderes Stammesblut formte.“ (1938, in einem Beitrag zum Westfalentag in Siegen)

Entnazifizierung: zahlreiche Unterstützungs- und Entlastungserklärungen, so für Wilhelm Groos, Alexander Hirschfeld, Wilhelm Hohlsiepe, Heinrich Klein, Lothar Irle, Hans Kruse, Wilhelm Löw, Adolf Müller, Fritz Vorländer, Adolf Wurmbach, unter diesen auch einige „Alte Parteigenossen“

nach NS-Ende erneut SPD[12]

1945 ff. Schulrat zu Siegen, führend beim Wiederaufbau des Siegerländer Schulwesens[13]

Kreisheimatpfleger[14]

Sein letztes Lebensjahr verbrachte Engelbert bei seinem Sohn in Hamburg. [15]

Veröffentlichungen Engelberts:[16]

Engelbert, Hermann: Es ist nichts Neues unter der Sonne [Schilderung kultureller Zustände im Siegerland v. 15. -17. Jh. nach d. Quellen] – in: Heimatland. Jg 5, 1930, S. 70-77

Engelbert, Hermann: Das Siegerländer Gesicht – in: Siegener Ztg. Jg 116, Nr 157 v. 8. 7. 1938

Engelbert, Hermann: Um den Siegerländer Maibaum. Erinnerungen an altes Brauchtum – in: Siegener Ztg. Jg 115, Nr 100 v. 30. 4. 1937

Henrich, Paul: Kölner und Siegerländer Mundart – in: Heimatland. Jg 9, 1934, S. 63/ 64. Ergänzung dazu v. Hermann, Engelbert S. 86/87

Engelbert, Hermann: Sorge um die Siegerländer Muttersprache – in: Siegener Ztg. Jg 116, Nr 10 v. 13.1. u. Nr 23 v. 28.1. 1938

Engelbert, Hermann: Die „Buch zu Hohenseelbach, so zu Stein geworden“. Eine Siegerländer Sage in: Heimatland. Jg 13, 1938, S. 61/ 62

Engelbert, Hermann: Eine Hilchenbacher Sohlledergerberei [Friedrich Müller & Co.] feiert ihr 100jähriges Bestehen – in: Siegener Ztg. Jg 118, Nr 274 v. 23.11.1938

Engelbert, Hermann: In Satz und Reim. Dichtung aus d. Siegerland – in: Siegener Ztg. Jg 116, Nr 157 v. 8.7.1938

Engelbert, Hermann: Die Pfarrgefälle- in: Heimatland. Jg 7, 1932, S. 76-80

Engelbert, Hermann: Geschichte des Amtes Ferndorf- in: Verwaltungs- Bericht d. Amtes Ferndorf f. d. Zeit v. 1905 bis 1930. Weidenau 1930. S. 9-19

Engelbert, Hermann: Versuch einer Chronik der Ferndorfer Kirchspielschule – in: Heimatland. Jg 13, 1938, S. 69- 71, 84/85, 101-104, 121-126

Engelbert, Hermann: Ein Gang durch den frischgebackenen Flecken Hilchenbach im Jahre 1687 – in: Siegener Ztg. Jg 113, Nr 300 v. 24.12. u. Nr.302 v. 28.12.1935

Engelbert, Hermann: 100 Jahre Hilchenbacher Schützenverein – in:; Heimatland. Jg 12, 1937, S. 75-80

Engelbert, Hermann: 250 Jahre Stadt Hilchenbach – in: Ztg.  Jg 115, Nr 100 v. 30.4.1937

Engelbert, Hermann: Dem Andenken Richard Beckers – in: Siegener Ztg. Jg 113, Nr 69 v. 22.3. u. Nr 71 v. 25.3.1935

Engelbert, Hermann:  Hauptlehrer i.R. Jakob Henrich, Krombach, zum 75. Geburtstag – in: Siegener Ztg. Jg 115, Nr 48 v. 26.2.1937

 Engelbert, Hermann: Der Dichter der ersten Dorfgeschichte: Johann Heinrich Jung- Stilling – in: Siegener Ztg. Jg 118, Nr 215 v. 12.9.1940

Engelbert, Hermann: Dr. Hans Kruse, dem „Kalendermann“ zum Gedächtnis in Siegerländer Heimatkalender. Jg 23, 1942, S. 97-100

Engelbert, Hermann: Zu Dr. Georg Mollats 80. Geburtstag – in: Siegener Ztg. Jg 121, Nr 67 v. 20.3.1943

Engelbert, Hermann: Julius Pohlig- der weltbekannte Seilbahnbauer. Zu seinem 100. Geburtstag. 25 Jahre Mitbürger d. Stadt Siegen – in: Siegener Ztg. Jg 120, Nr 271 v. 18.111942

Engelbert, Hermann: Dank und Glückwunsch an einen heimatlichen Erzähler. Zum 70. Geburtstag v. Eduard Schneider- Davids- in: Siegener Ztg. Jg 117, Nr 39 v. 15.2.1939

Engelbert, Hermann: Hinterhüttsche Chronik, Kreuztal 1994

Literatur:
„Das Speciellere heranziehen in der Zukunft“ Jubiläumsveröffentlichung der Siegener Zeitung, 18.8.2023, S. 32“

Lothar Irle: Siegerländer Persönlichkeiten- und Geschlechter- Lexikon, Siegen 1974, S. 80 Siegerländer Heimatkalender. 1955, S. 175.

Siegener Beiträge. Ulrich Friedrich Opfermann. Siegerland und Wittgenstein im Nationalsozialismus. Personen Daten Literatur. Jahrbuch für regionale Geschichte. Ein Handbuch. Sonderband 2001, Siegen 2001, S. 220

Siegerländer Heimatkalender 1955, S. 175

Hans Rudi Vitt: Siegerländer Bibliographie. Siegen 1972

Manfred Zabel; Die Heimatsprache der Begeisterung. Ausgewählte Reden und Schriften von Fritz Fries, Siegen 1990, S. 131

Links:
Regionales Personenlexikon zum Nationalsozialismus in den Altkreisen Siegen und Wittgenstein, Eintrag Hermann Engelbert, Link: http://akteure-und-taeter-im-ns-in-siegen-und-wittgenstein.de/verzeichnis/gesamtverzeichnis#engelbert (Aufruf: 29.8.2023)

„Widerspruch und Widerstand. Opposition gegen den Nationalsozialismus in den Altkreisen Siegen und Wittgenstein“, Eintrag Hermann Engelbert, Link: http://widerspruch-und-widerstand-im-ns-in-siegen-und-wittgenstein.de/verzeichnis/biografische-skizzen#engelbert , (Aufruf: 29.8.2023)

Noch auswerten:

Landesarchiv NRW, Abt. Rheinland, NW 1.127-174, NW 1.127-1.066 (Lothar Irle)
Archiv der Bilbliothek für Bildungsgeschichtsliche Forschung des DIPF, Gutachterstelle des BIL – Preußische Volksschullehrerkartei, Regierungsbezirk Arnsberg, GUT LEHRER (Personalunterlagen von Lehrkräften), 14625

Siegerländer National-Zeitung, 16.5.1933, 18.4.1934
Siegener Zeitung, 25.4.1936
Westfälische Rundschau/Regionalteil, 13.1.2008

„Frau Brätsch“ störte sie sehr [Engelbert; Kreuztal], in: 100 Jahre Sozialdemokratie 1863-1863. Bezirksparteitag Westliches Westfalen in Siegen am 8. und 9. Juni 1963, Siegen o.J. (1963), S. 38

Schwab, Steffen, Hermann Engelbert: Erst Soldat, dann Pazifist. Prügel, „Schutzhaft“ – und 1945 Schulrat, in: WR/Sl, 24.12.1983

eff [= Schwab, Steffen], „So geht denn der braune Heerwurm durch alle Täler“ [u.a. Engelbert; nördliches Siegerland], in: WR/SI, 11.5.1983

1933: NSDAP warnt vor „mißbräuchlicher Verwendung“. Kündigung mit Gruß „Heil Hitler“ [u.a. Hagedorn, Engelbert; nördliches Siegerland], in: WR/SI, 2.7.1983

Kreuztaler wird neuer Schulrat [Engelbert, Fritz Fries], in: WR/SI, Ostern 1995.

Abschied von Schulrat i.R. Engelbert/Ein um die Heimat verdienter Pädagoge, in: SZ, 15.12.1953

brik, Friedensbewegung und Kirchen ergriffen Initiative. Gedenkfeiern zum 8. Mai [Netphen], in: WR/SI, 16.4.1985

[1] Regionales Personenlexikon, Hermann Engelbert
[2]Lothar Irle: Siegerländer Persönlichkeiten- und Geschlechter- Lexikon, Siegen 1974, S. 80
[3] Regionales Personenlexikon, Hermann Engelbert
[4]     Regionales Personenlexikon, Hermann Engelbert
[5]     Widerspruch, Hermann Engelbert; Manfred Zabel; Die Heimatsprache der Begeisterung. Ausgewählte Reden und Schriften von Fritz Fries, Siegen 1990, S. 131
[6]  Lothar Irle: Siegerländer Persönlichkeiten- und Geschlechter- Lexikon, Siegen 1974, S. 80
[7]     Widerspruch, Hermann Engelbert
[8]     Regionales Personenlexikon, Hermann Engelbert
[9]    “Das Speciellere heranziehen in der Zukunft“ Jubiläumsveröffentlichung der Siegener Zeitung, 18.8.2023, S. 32
[10]   Widerspruch, Hermann Engelbert
[11]   Regionales Personenlexikon, Hermann Engelbert
[12]   Regionales Personenlexikon, Hermann Engelbert
[13]   Lothar Irle: Siegerländer Persönlichkeiten- und Geschlechter- Lexikon, Siegen 1974, S. 80; Regionales Personenlexikon, Hermann Engelbert
[14]   Regionales Personenlexikon, Hermann Engelbert
[15] Siegerländer Heimatkalender 1955, S. 75
[16]   Hans Rudi Vitt: Siegerländer Bibliographie. Siegen 1972

Bisher in chronologischer Reihenfolge „erschienen“ :
Alfred Lück, Hans Kruse, Wilhelm Güthling, Ernst Canstein, Ferdinand August Bode(n), Johann Ludwig Knoch

2 Gedanken zu „Archivare aus dem Kreisgebiet VII: Hermann Engelbert (1880-1953)

  1. Die Siegener Zeitung hat nicht nur Hermann Engelbert, sondern auch dem Verlagsleiter der Siegener Volkszeitung und Sozialdemokraten Gustav Vitt (1895-1960), der nach dem Überfall am 2. Mai 1933 auf das Haus der Gewerkschaft durch die SA-Sturmtruppe unter SA-Führer R. Odenthal arbeitlos wurde, geholfen. Vom 1. April 1935 bis Ende August 1945 war er in verschiedenen Funktionen für die SZ tätig. Während der Zeit litt er an den Folgen der Misshandlung durch die SA und die Inhaftierung und war dadurch fortwährend in ärztlicher ambulanter und wiederholter stationärer Behandlung (Nervenkliniken).Nach dem Krieg baute er seine selbständige Tätigkeit (Vertrieb von Karten, Drucksachen, Büropapieren) aus. Er war Stadtverordneter der SPD in Siegen und führte verschiedene Ehrenämter. Er starb an einem Herzinfarkt und den infolge seiner Mißhandlung und politischen Verfolgung entstandenen Gesundheitsschäden.

  2. Zu Hermann Engelbert sind im Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen, eine Personalakte und eine Wiedergutmachungsakte (zusammen mit seiner Ehefrau) vorhanden. Die Akten tragen folgende Signaturen:
    • R 001/Personalakten, Nr. 782
    • K 104/Regierung Arnsberg, Wiedergutmachungen, Nr. 26918

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