„Siegener Beiträge – Jahrbuch für regionale Geschichte 18 – 2013“ erschienen

SB2013Abermals ist es der Redaktion der “Geschichtswerkstatt Siegen – Arbeitskreis für Regionalgeschichte e.V.“ gelungen, ein breites Spektrum regionalhistorischer Aufsätze in ihrem neuen Jahrbuch “Siegener Beiträge“ 2013 zusammenzutragen. Herausgekommen
ist auf 256 Seiten eine lesenswerte Aufsatzsammlung mit folgenden Schwerpunkten:

Gerlach Graf zu Nassau-Wiesbaden-Idstein – Christian Brachthäuser
Christian Brachthäuser, Bibliothekar des Stadtarchivs Siegen, geht in seinem Aufsatz “Gerlach Graf zu Nassau-Wiesbaden-Idstein (1322-1371)“ der Frage nach, ob und wie ein einflussreicher Mainzer Erzbischof als Namenspatron der erstmals 1713 so bezeichneten “graf gerlachs burg“ nördlich von Netphen-Afholderbach gedient haben könnte. Der kurfürstliche Wirkungskreis kann zwar nicht in direktem Zusammenhang mit dem Burgenbau stehen, da archäologische Funde aus dem 11. Jahrhundert vorliegen und die exponierte Befestigungsanlage bereits vor der Geburt Gerlachs aufgegeben wurde. Die historisch gewachsene Verflechtung zwischen dem Mainzer Kurstaat, der Grafendynastie Nassau und dem Siegerländer Adelsgeschlecht von Bicken, das von 1601 bis 1604 selbst einen Mainzer Erzbischof stellte, könnte jedoch darauf hindeuten, dass die Namensgebung in Erinnerung an jenen Amtsträger erfolgte, der diese enge Bande im 14. Jahrhundert begründet hatte.

Nachhaltigkeit – Prof. Dr. Rolf-Jürgen Gleitsmann-Topp
Nachhaltigkeit als Begriff ist in aller Munde, sei es in wissenschaftlichen Diskursen oder politischen Debatten. Konkurrierende theoretische Modell streiten zudem darum, welcher Weg hin zur Nachhaltigkeit einzuschlagen sei. Für Prof. Dr. Gleitsmann-Topp aus Karlsruhe fehlt jedoch die historische Dimension. Seiner Meinung nach hält das Siegerland eine einzigartige Antwort parat, an der sich ablesen lässt, wie Nachhaltigkeit am Beispiel der Zentralressource Hauberg in der frühen Neuzeit faktisch funktionierte. In seinem Aufsatz beschreibt Prof. Dr. Gleitsmann-Topp gleichzeitig die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen erfolgreich Nachhaltigkeit im Energiesystem praktiziert wurde.

Wanderschauspieler – Ludwig Burwitz
Den mitunter auch vergnüglichen Kleinkrieg eines Theaterdirektors mit den Behörden während der so genannten Franzosenzeit schildert Ludwig Burwitz. Der Autor widmet sich damit bereits zum zweiten Mal einer Episode aus der Siegener Theatergeschichtedes frühen 19. Jahrhunderts. Drei Jahre nach dem ersten Auftreten einer Gesellschaft Wanderschauspieler in Siegen kommt 1811 der Mainzer Theaterprinzipal HeinrichReinhard mit seiner Truppe in die Stadt. Sein dreimonatiges Gastspiel hätte ein Testfall für eine liberale Kulturpolitik des französischen Modellstaats sein können, scheitert aber sowohl an den kleinlichen örtlichen Vertretern der großherzoglich-bergischen Bürokratie als auch an dem provokanten Verhalten des Theaterdirektors selbst. Letzteres wäre um ein Haar Auslöser eines Stadtbrandes geworden.

Ein Franzose im Siegerland – Petra Mertens-Thurner / Peter Kunzmann
Mit dem Gedicht des französischen Truppeninspekteurs Marc-Antoine Jullien über den Müsener Stahlberg stellt Petra Mertens-Thurner einen besonderen literarischen Fund zur regionalen Montangeschichte vor. Nach einem Besuch des Bergwerks im Jahre 1806 stellt dieses seiner Leserschaft ganz im Stil der Zeit als einen „Schreckensort“, als ein „Bild der Hölle“ dar, während der am Bergbau interessierte Leser nur wenig erfährt. Peter Kunzmann ordnet das Gedicht in einem Nachwort in den historischen Kontext ein.

Der Siegener Kanzleirat Friedrich Goebel – Dr. Johannes Burkardt
Dr. Johannes Burkardt vom Landesarchiv NRW in Münster porträtiert den Siegener Kanzleirat Friedrich Goebel (1812-1902), der sich als leidenschaftlicher Autodidakt ein fundiertes Wissen über die Landesgeschichte der ehemaligen Grafschaft Wittgenstein beziehungsweise der Siegerländer Kirchenhistorie angeeignet. Dass der verdienstvolle Gelehrte heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass er an den Beginn einer Aufarbeitung der Siegener Schul- und Bildungsgeschichte gestellt werden muss, da seine emsigen Forschungsarbeiten bis heute wertvolle Impulse liefern.

Fachwerkhäuser – Dr. Bernd D. Plaum
Dr. Plaum bezweifelt einen unmittelbaren Zusammenhang zu den von Bernd und Hilla Becher dokumentierten Fachwerkhäusern aus dem Zeitraum von 1870-1930 und einer Verordnung zur Holz sparenden Bauweise von 1790. Ebenso wird eine Holz sparendeBauweise grundsätzlich in Frage gestellt, wo doch eigentlich hinlänglich bekannt sein dürfte, dass die Stile im Laufe des 19. Jahrhunderts in Abhängigkeit von der Geschosshöhe immer länger und dichter gestellt wurden. Ein Holzspareffekt lag also nicht vor. Der Autor charakterisiert diese Häuser als Vorläufer der späteren Fertighäuser. Kostengünstig u.a. durch statische und produktionstechnische Optimierung, ermöglichten die „Bausätze“ ein hohes Maß an Eigenleistung der Bauherren.

Willi Busch – Dr. Jürgen Schaarwächter
Dr. Jürgen Schaarwächter vom Karlsruher Max-Reger-Institut, dem Aufbewahrungsort des BrüderBuschArchivs, widmet sich der wenig bekannten Biografie von Willi Busch, dem einzigen Schauspieler unter den Musikern der Familie.

Die Memoria des Dr. Lothar Irle – Prof. em. Dr. Rainer S. Elkar
Lothar Irle. Eine biografische Skizze – Thomas Wolf
Gleich zwei Beiträge des Jahrbuches beschäftigen sich mit dem Siegener Heimat- und Familienforscher Dr. Lothar Irle, dem Namensgeber einer Straße in Kaan-Marienborn.
Indem Kreisarchivar Thomas Wolf den Lebensweg Irles in sechs Stationen nachzeichnet, findet er Idealtypisches sowohl für dessen Weg in den Nationalsozialismus als auch für seinen Weg in die Bundesrepublik; Irles Biografie mag so als Folie für die regionale Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus wie auch für die regionale Geschichte der frühen Bundesrepublik dienen.
Demgegenüber stellt Rainer S. Elkar das ehrende Gedenken, die Würdigung einer Person durch die Nachwelt, die „Memoria“, in den Mittelpunkt seiner Überlegungen zu Lothar Irle. Vor dem Hintergrund zahlreicher Quellen, die Irles unveränderte geistige Haltung vor und nach dem Ende des Nationalsozialismus deutlich machen, führt er Beispiele der posthumen Würdigungen in regionalen Publikationen an, die diesen Aspekt der Vita Irles auslassen beziehungsweise beschönigen und damit die Erinnerung an die historische Figur verfälschen.

Die neuen Siegener Beiträge sind ab sofort für 22,00 Euro im gut sortierten Buchhandel sowie direkt im Stadtarchiv Siegen, KrönchenCenter, Markt 25 in 57072 Siegen erhältlich!

3 Gedanken zu „„Siegener Beiträge – Jahrbuch für regionale Geschichte 18 – 2013“ erschienen

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