Einer von vielen – und doch ganz speziell

Das Geschäftshaus Melchior in der Siegener Oberstadt (Vorlage: Stadtarchiv Siegen)

Stadtarchiv widmet sich der Geschichte der Siegener Feinkosthandlung Melchior

In seinem „Klick in die Vergangenheit“ widmet sich das Stadtarchiv Siegen regelmäßig unterschiedlichen Episoden der städtischen Geschichte. Besondere Anlässe, historische Ereignisse, bislang unbekannte Aspekte oder bemerkenswerte Archivstücke in den Sammlungsbeständen sollen dadurch vorgestellt werden. Nach den erfolgreichen Dokumentationen zur Geschichte des „Rheinischen Kaufhauses“ (RHEIKA) oder zu zwei Großtankstellen im vergangenen Jahr soll auch die neue Ausgabe des „Klicks in die Vergangenheit“ ein Stück Siegener Geschäftsphilosophie und Unternehmenskultur näher bringen.

Viele werden sich noch an das traditionsreiche Delikatessengeschäft Melchior am Siegener Bahnhof erinnern. Ganz in der Nähe zur Unterführung gelegen prägte es über Jahrzehnte das Bild der Unterstadt mit. Bereits am 1. September 1890 hatte der Siegener Kaufmann Wilhelm Melchior (1863-1902) am Kornmarkt seine Kolonialwaren- und Delikatessenhandlung gegründet. Sehr zur Freude von Feinschmeckern, gehörten doch hochwertige Öle, Essige, Essenzen, Kakao sowie Liköre, Sherry, Fisch- und Käsespezialitäten zum Sortiment. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts war die Produktvielfalt international ausgerichtet: Englisches Senfmehl wurde von Wilhelm Melchior ebenso verkauft wie Schweizer Emmentaler oder Teigwaren und Südfrüchte aus Italien. Damit stand er natürlich nicht allein. Das Adressbuch für die Stadt Siegen von 1897 verweist unter der Rubrik „Kolonialwarenhandlungen“ auf stolze 109 Gewerbetreibende allein im Stadtgebiet, die sich damals auf den Handel mit Genussmitteln und Spezialitäten sowohl aus Übersee als auch aus regionaler Herstellung konzentriert hatten. Dennoch vermochte sich Wilhelm Melchior trotz der Konkurrenz um die Jahrhundertwende dauerhaft zu etablieren. Nicht nur in der Siegener Oberstadt, wo er ab 1900 neue Räumlichkeiten in der Kölner Straße (Ecke Löhrstraße) bezog und sogar in eine Kaffee-Rösterei investierte, sondern auch in Weidenau, wo er zwischenzeitlich (und auch nur vorübergehend) 1891 eine Filiale eröffnet hatte. Doch Wilhelm Melchior verstarb bereits am 28. Oktober 1902; der Geschäftsinhaber war gerade einmal 39 Jahre alt geworden. Nun lag es an der Familie, die Geschäfte weiterzuführen. Trotz zweier Weltkriege, die massive Einschnitte für die Familie Melchior bedeuteten und den Fortbestand des Feinkosthandels akut gefährdeten, wurde der Geschäftsbetrieb jedoch nicht eingestellt. Anlässlich des 60jährigen Firmenjubiläums am 1. September 1950 hielt Fritz Melchior, ein Sohn des Gründers, die wichtigsten Stationen und Ereignisse der Feinkosthandlung in einer handschriftlichen Chronik fest. Dies konnte vom Stadtarchiv Siegen unlängst erworben werden und soll nun erstmalig der Öffentlichkeit präsentiert werden. „Mit dem 60jährigen Jubiläum endet natürlich nicht die Firmengeschichte“, wie Christian Brachthäuser vom Stadtarchiv Siegen betont. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem städtischen Wiederaufbau befand sich das Ladengeschäft bis zur Schließung zu Beginn der 1980er Jahre am Bahnhof. „Wer über persönliche Erinnerungen, alte Fotos oder Prospekte verfügt, kann sich jederzeit sehr gerne mit dem Stadtarchiv in Verbindung setzen. Wir freuen uns über Rückmeldungen aus der Bevölkerung, um die Überlieferungslücke der drei Jahrzehnte bis circa 1980 schließen zu können. Jedes Detail kann wichtige Informationen liefern“, wie Brachthäuser ausführt.
Parallel zu dem Onlineartikel auf der Website www.stadtarchiv-siegen.de findet noch bis Ende Mai 2017 eine kleine Vitrinen-Präsentation im Lesesaal des Stadtarchivs Siegen statt. Ausgewählte Reproduktionen von Fotografien aus der Firmenchronik sowie Ansichtskarten und Verkaufsannoncen runden die Ausarbeitung zur Geschichte der Feinkosthandlung Melchior von 1890 bis 1950 ab. Das Team des Stadtarchivs Siegen freut sich auf Ihren Besuch. Der Eintritt ist selbstverständlich frei!

6 Gedanken zu „Einer von vielen – und doch ganz speziell

  1. Drei Bemerkungen zum Online-Artikel auf der Website http://www.stadtarchiv-siegen.de:
    1) Die Hintergrundinfomationen zum Format gleich in der Einleitung hemmen den Lesefluss. Ich würde sie in eine separate Infobox verschieben
    2) Die paralell statfindende Vitrinen-Präsentation im Lesesaal halte ich für eine sehr schöne Idee.
    3) Warum findet sich der „detaillierte Bericht“ mit sämtlichen Bildern versteckt in einem PDF-Format und nicht gleich im Online-Artikel?

  2. Lieber Herr Räth,

    vielen Dank für Ihr Feedback und Ihre konstruktiven Anregungen! Gerne greifen wir diese gegebenenfalls bei der Erarbeitung und Gestaltung zukünftiger Onlinetexte auf, müssen jedoch zu bedenken geben, dass wir als Dienststelle der städtischen Verwaltung an die redaktionellen Rahmenbedingungen der Öffentlichkeitsarbeit gebunden sind. Warum wir im Übrigen auch aus einem anderen Grund auf das PDF-Format zurückgreifen, erklärt sich durch die positive Resonanz vieler virtueller Archivgäste, die es offenbar schätzen, parallel Ausdrucke unserer „Klicks in die Vergangenheit“ für den privaten Gebrauch zu erstellen.

    Mit besten Grüßen aus dem Stadtarchiv Siegen,

    Christian Brachthäuser

  3. Lieber Herr Brachthäuser, die Idee zur historischen Aufarbeitung des Siegener Geschäftsleben finde ich sehr gut. Es wäre schön, wenn noch eine Dokumentation ehemaliger Siegener Verlage und Buchhandlungen folgen würde.

    Mit besten Grüßen,

    Matthias Dickel

  4. Hallo Herr Dickel,
    eine sehr gute Idee, besten Dank für den Hinweis und Ihre freundliche Rückmeldung! Im Idealfall sollten solche Dokumentationen natürlich mit Primärquellen und Fotografien aus den Beständen des Stadtarchivs Siegen belegbar sein. Mal schauen, ob und was die Sammlungsbestände zu dem Thema hergeben…
    Viele Grüße,
    Christian Brachthäuser

  5. Pingback: Siegener Beiträge – Jahrbuch für regionale Geschichte 22/2017-2018 erschienen | siwiarchiv.de

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