DVD-Neuerscheinung: „Siegerland zwischen Gegenwart und Zukunft“

Ein Heimat-Dokumentarfilm aus dem Jahr 1971


Sommer 1971. Ein Filmteam bereist die Region. Das Ziel: Eine möglichst moderne Filmdokumentation über den Kreis Siegen und das Siegerland. Auftraggeber und Finanzier: Die Friedrich Flick GmbH. Das Budget: 300000 DM. So entsteht in nur fünf Wochen der wohl ausführlichste Film über das Siegerland und setzt damit die Reihe der seit den 1920er Jahren entstandenen Filme über die Stadt Siegen und das Siegerland fort. Dabei zeichnet er sich durch eine abständige bis zuweilen kritische Haltung und eine explizite Modernität aus. Autor und Regisseur ist der aus Österreich stammende und bis zu seinem Tod für das NDR-Magazin Panorama tätige Journalist Peter Schier-Gribowsky.

Zeitsprung: 47 Jahre später im Sommer 2018. In Kooperation mit dem Kreisarchiv des Kreises Siegen-Wittgenstein nimmt sich die in Siegen ansässige Filmproduktion mundus.tv dem Film an. mundus.tv, eigentlich auf die Herstellung von Industrie- und Werbefilmen spezialisiert engagiert sich bereits seit 2005 für den Erhalt professioneller historischer Filme aus der Region. Im Kreisarchiv des Kreises Siegen-Wittgenstein lagerte der 16mm Film über Jahrzehnte. Nun wurde er digitalisiert und auf DVD allen Bürgerinnen und Bürgern der Region wieder zugänglich gemacht.

In gut 74 Minuten entwirft der Film ein breit angelegtes Panorama Siegerländer Wirtschafts- und Kulturgeschichte: von der keltischen Eisenerzeugung und den Legenden um Wieland den Schmied. Über die politische und kulturelle Bedeutung des Hauses Nassau-Siegen und den industriellen Aufschwung unter preußischer Herrschaft bis zum Wiederaufbau nach 1945. Aber auch der erfolgreich bewältigte Strukturwandel nach der Einstellung des Erzbergbaus wird thematisiert. Die Anzahl und Vielfalt der angesprochenen Einzelthemen ist bemerkenswert, gelegentlich überraschend. Das Drehbuch Schier-Gribowskys verknüpft sie zu einer informativen, unterhaltsamen und lehrreichen filmischen Erzählung, die durch die eingesetzten film-, schnitt- und tontechnischen Mittel und Stilelemente ausgesprochen modern angelegt ist. Ungewöhnliche Perspektiven erlauben die zahlreichen und für damalige Zeit als Novum einzuordnenden Film-Luftaufnahmen. Bei aller Modernität ist der Film aber noch mehr: Ein moderner Heimatdokumentarfilm. Und so kommen auch die für das Siegerland typischen Themenfelder des Erzbergbaus, der Eisenverhüttung, des Haubergs, der Köhlerei und vieler weiterer Themen nicht zu kurz. In eindrucksvollen Aufnahmen portraitiert der Film eine Zeit, welche im Siegerland eher wenig filmisch dokumentiert wurde. Und so eröffnen sich dem Betrachter ganz besondere Einblicke in die Lebens- und Arbeitswelt der frühen 70er Jahre. Dabei fällt auf wie sehr sich Landschaften, Dörfer, Städte, Menschen, Arbeitswelten in den letzten 47 Jahren geändert haben. Im Gegensatz zu den bekannten historischen Schwarzweißfilmen über das Siegerland, rücken diese Farbfilmaufnahmen die Vergangenheit in ein eigenes Licht, berühren und fesseln auf eine besondere und auch eigentümliche Weise.
Im letzten Viertel des Films rückt Friedrich Flick, der zuvor nur gelegentlich Erwähnung findet – so im Interview mit seinem Neffen Bernhard Weiß –, und seinem Vetter Konrad Kaletsch in den Mittelpunkt der in diesen Passagen dezidiert unkritischen Erzählung. Das hat seinen Grund: Der Film ist eine Auftragsproduktion und gehört zu den Schenkungen, die der Industrielle mit nationalsozialistisch belasteter Vergangenheit seiner Heimatstadt Kreuztal und seinem Heimatkreis hinterlassen hat. Die Investition diente dazu, das in der bundesdeutschen Öffentlichkeit zwiespältige Image des im Jahr darauf verstorbenen Konzerngründers in seiner Heimat aufzupolieren und zu einem zeitlosen Mythos zu verdichten. Ein Befund, der dem Film jedoch nichts von seiner dokumentarischen und journalistischen Qualität nimmt.
Im Gegenteil: Mit Peter Schier-Gribowsky wurde ein Autor und Regisseur beauftragt, der auch für seine kritische Haltung zur jüngeren deutschen Geschichte bekannt war: durch die 1961 ausgestrahlte Dokumentation „Auf den Spuren des Henkers. Gegen das Vergessen“ und die tagesaktuelle Berichterstattung über den Eichmannprozess in Jerusalem unter dem Titel „Eine Epoche vor Gericht“. Diese Konstellation fordert geradezu dazu heraus, sich wegen der im Film vorhandenen Leerstellen zwischen 1933 und 1945 mit der Bedeutung des „großen Siegerländers“ Friedrich Flick erneut zu beschäftigen. Sollte der Film ein Etikett benötigen, dann nicht das des Flick-, sondern das des Schier-Gribowsky-Films.
Die DVD „Siegerland zwischen Gegenwart und Zukunft“ ist ab sofort über den Siegerländer Buchhandel sowie über das Bestelltelefon 0271-6819606 erhältlich.
Quelle: mundus.tv, Pressemitteilung

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