Kann Tersteegen uns heut‘ noch was lehren?

Mit Vortrag, Exponaten und Liedern kam man in Schwarzenau dem Kirchenlieddichter näher

Knapp 50 Menschen versammelten sich am Montag in der Schwarzenauer Kirche, einen Abend lang sollte es hier um den Laienprediger, Schriftsteller, Kirchenlieddichter und reformierten Pietisten Gerhard Tersteegen gehen. Anlass dafür: dessen 250. Todestag in diesem Jahr. Dieter Kuhli, Laaspher Pfarrer und Vorsitzender des Theologischen Ausschusses im Kirchenkreis Wittgenstein, übernahm die Andacht am Anfang. Bei diesem Thema musste es natürlich eine Liedandacht sein: Das Gesangbuch-Werk „Brunn alles Heils, dich ehren wir“ hatte Dieter Kuhli dafür ausgesucht, anschaulich illustrierte der Laaspher darin seine Einschätzung: „Deshalb ist es nur folgerichtig, dass Gerhard Tersteegen zumindest in einigen seiner Lieder geradezu dichtet mit den Worten der Bibel.“ Dabei war Dieter Kuhlis Bild von Gerhard Tersteegen fest gefügt, das Bild von einem Mann, „dessen mystische Frömmigkeit nicht in die weltabgewandte Schwärmerei führt, sondern genau umgekehrt in die Tat, in die Zuwendung zum Nächsten“.

Aber wieso ist der Mann vom Niederrhein für unsere Breiten besonders interessant? Die Antwort gab der aus Bad Berleburg stammende Leiter der Abteilung „Ostwestfalen-Lippe“ des Landesarchivs NRW, Dr. Johannes Burkardt, in seinem Vortrag: „Auch das Siegerland und Wittgenstein gehörten zu Tersteegens Reisezielen. Eng verbunden war er der sogenannten ‚Gesellschaft der Kindheit-Jesu-Genossen‘ auf Schloss Hayn bei Hainchen, einer den Wittgensteiner Pietisten eng verbundenen Gruppe von Menschen. Mit ihnen stand er in Briefverkehr, und vermutlich wurde über die Schiene ‚Hayn‘ auch der Kontakt nach Berleburg hergestellt. Briefwechsel gab es mit dem Berleburger Hofarzt Samuel Carl, später auch mit der Berleburger Gräfinwitwe Hedwig Sophie. Die Briefe zeigen, dass ihm zahlreiche Personen der Wittgensteiner Pietistenszene bekannt waren und am Herzen lagen.“ 1736 besuchte Tersteegen Berleburg, auch in Schwarzenau war er. In einem detailreichen, gelehrten und dennoch kurzweiligen Vortrag porträtierte Johannes Burkardt den Mann, der am 3. April 1769 starb: „Tersteegen kann uns in einer zunehmend egoistischen und aggressiven Umwelt lehren, das Ego zurück zu stellen, dem anderen zuzuhören, Meinungsverschiedenheiten mit gegenseitigem Respekt auszutragen und Toleranz zu üben.“

An diesem Abend gab es ganz viele Worte, die Gerhard Tersteegen allesamt gerecht wurden – und doch hätte etwas gefehlt, wenn die schon alles gewesen wären. Denn natürlich musste auch Musik sein. Neun Tersteegen-Lieder stehen heute noch im Gesangbuch: Neben dem angesprochenen „Brunn alles Heils, dich ehren wir“ wurden auch „Jesus, der du bist alleine“, „Gott ist gegenwärtig“ und „Nun sich der Tag geendet, mein Herz zu dir sich wendet“ von Joachim Cierpka, Pfarrer der Lukas-Kirchengemeinde im Elsoff- und Edertal und damit auch von Schwarzenau, auf der Orgel gespielt und von den Vortrags-Besuchern innig gesungen. Das machte aus dem sehr guten einen ganz besonderen Abend. Außerdem spielte Joachim Cierpka noch „Praeludium e-moll“ und „Praeludium G-Dur“ von Johann Sebastian Bach, Pi mal Daumen ein Zeitgenosse von Gerhard Tersteegen. Danach boten der Vortrag und eine Vitrine – unter anderem mit einem bisher unveröffentlichten Tersteegen-Manuskript – bei Getränken noch reichlich Gesprächsstoff in der Schwarzenauer Kirche.

Vortrag von Dr. Johannes Burkardt: 2019-burkardt-tersteegen-vortrag
Präsentation von Dr. Johannes Burkardt (knapp 10 MB): 2019-burkardt-tersteegen-praesentation

Quelle: Kirchenkreis Wittgenstein, Neuigkeiten, Jens Gesper, 1.7.2019

2 Gedanken zu „Kann Tersteegen uns heut‘ noch was lehren?

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