Eine Publikation von
-Förderkreis Geschichte der Arbeiterbewegung und der Gewerkschaften für den
Kreis Siegen-Wittgenstein e. V. – Manfred Zabel, Birkenweg 18, 57234 Wilnsdorf, und
– Gustav-Heinemann-Friedensgesellschaft Siegen e. V. – Astrid Greve,
Heidenbachswald 1, 57234 Wilnsdorf
ISSN 09 36-0794 – 224 Seiten, (Verkaufspreis 14,80 Euro)
Zur Bedeutung des Buches
Im nächsten Jahr wird des Beginns des Ersten Weltkriegs 1914 gedacht. In keinem Krieg zuvor sind so viele Soldaten getötet worden. Auch im Siegener Raum ging die Opferzahl in die Tausende. Wilhelm Fries aus Weidenau (1901-2000), noch zu jung, um Soldat zu werden, hat gleich drei seiner Brüder in diesem Krieg verloren. Das hat ihn zum engagierten Pazifisten und Aktivisten der Deutschen Friedensgesellschaft in Siegen werden lassen.
Traute Fries, die Tochter von Wilhelm Fries, legt nach vierjähriger Arbeit jetzt ein neues Buch vor, in dem sie die Geschichte der Deutschen Friedensgesellschaft im Siegener Raum in der Weimarer Republik rekonstruiert. Materialgrundlage des Buches sind der umfangreiche Nachlass ihres Vaters und die Zeitschriften der DFG, „Der Pazifist“ (1921-1924), nachfolgend „Das Andere Deutschland“ (1925-1933).
Wer glaubt, die Bewegung des Pazifismus habe einen Bogen um das protestantisch-konservative Siegerland gemacht, wird mit diesem Buch eines Besseren belehrt. 1894 wurde in Siegen zum ersten Mal, 1922 zum zweiten Mal eine Ortsgruppe der DFG gegründet. Mit Gleichgesinnten rief Wilhelm Fries im Dezember 1922 eine weitere Ortsgruppe in Weidenau ins Leben..
1924 hatte die DFG im Bezirk Sieg-Lahn-Dill bereits fast 400 Mitglieder. Gemeinsam mit Heinrich Otto hat Wilhelm Fries in diesen Jahren für die DFG gewirkt. Der Schwerkriegsbeschädigte Heinrich Otto – ihm waren beide Unterschenkel amputiert worden – leitete den Bezirk von 1923 bis 1928. Er verließ die DFG aus politischen Gründen und wurde Mitglied der KPD. Von 1928 bis 1930 fungierte Wilhelm Fries als Bezirksleiter der DFG und Hans Labus bis zum Verbot 1933.
Detailliert beschreibt Traute Fries die Entwicklung des Pazifismus im Siegener Raum. Dabei rückt parallel zur DFG auch die Geschichte ihrer Gegner – Monarchisten, Deutschnationale, Nationalisten – ins Blickfeld. Die politische Rechte, darunter der später führende Nationalsozialist Paul Giesler, verhinderte beim Siegener Stadtjubiläum die Aufführung eines Theaterstücks des Krombacher Lehrers und Heimatdichters Adolf Wurmbach, weil dieser Pazifist und Mitglied der DFG war. Zu Beginn der 1930er Jahre zählten Mitglieder und Anhänger der DFG zu den schärfsten Widersachern der Nationalsozialisten.
Die von Traute Fries rekonstruierte Geschichte der DFG rückt das „Andere Siegerland“ ins Blickfeld: Männer und (einzelne) Frauen, die aus eigenem Erleben aus dem Massentöten des Ersten Weltkrieges die Lehre „Nie wieder Krieg“ gezogen und danach gehandelt haben. Männer wie Wilhelm Fries, der 1924 am Weltfriedenskongress in Berlin teilgenommen, sich für die Aussöhnung mit Frankreich eingesetzt und 1928 seine erste Frankreichfahrt unternommen hat, um die Gräber seiner gefallenen Brüder zu besuchen. Frauen wie die Berufsschullehrerin Hedwig Heinzerling, die 1948 die Volkshochschule in Siegen gründen sollte.
Das Buch von Traute Fries ist in der Reihe „Beiträge zur Geschichte der Siegerländer Arbeiterbewegung“ erschienen, von der Gustav-Heinemann-Friedensgesellschaft und dem Kreis Siegen-Wittgenstein gefördert und bei der Druckerei Vorländer gedruckt worden. Es ist bei der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Siegerland e. V., dem Aktiven Museum Südwestfalen e. V. (Frau Margret Gockel, Häutebachweg 6, 57072 Siegen, Telefon 0271/20100, E-Mail cjz.siegen@t-online.de), bei der Autorin (Telefon 0271/84287, E-Mail traute.fries@t-online.de) und im Buchhandel erhältlich.
Zur Geschichte der DFG Bezirk Sieg-Lahn-Dill 1894/1922-1933
Am 21. Juni 1914, kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs, starb Bertha von Suttner. Gemeinsam mit Alfred Hermann Fried (1864-1921) hatte Sie im November 1892 in Berlin die Deutsche Friedensgesellschaft gegründet. Bereits im Februar 1894 entstand in Siegen die erste Ortsgruppe. Der Fabrikant Karl Ley (1858-1941) war 1894 Mitbegründer und erster Vorsitzender. Er finanzierte 1908 die Uraufführung des Theaterstücks „Die Waffen nieder!“ nach dem berühmten Roman Bertha von Suttners im Kaisergarten-Theater in Siegen.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die DFG im März 1922 in Siegen wiederbegründet, nachdem Prof. Dr. Ludwig Quidde am 21. Februar in einer Auftaktveranstaltung über die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich referiert hatte. Viele Kriegsteilnehmer, auch Offiziere, schlossen sich der DFG an.
Der Verleger Josef Balogh (1880-1964), damals Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei, engagierte sich und förderte die DFG. Der Heimatdichter Adolf Wurmbach (1891-1968), seinerzeit Lehrer in Gelsenkirchen, schrieb ab 1923 für die Zeitschrift der DFG „Der Pazifist“/„Das Andere Deutschland“ über 120 Beiträge: Gedichte, Kurzgeschichten und politische Stellungnahmen. Er wurde dafür 1924 von rechtsgerichteten Kreisen heftig angegriffen; sein Historienspiel „Hermann von Wilnsdorf“ wurde deswegen kurzfristig vom Programm der 700-Jahrfeier der Stadt Siegen gestrichen.
Fritz Küster (1889-1966), Hagen, später Berlin, gab von 1921 bis 1933 den „Pazifisten“/„Das Andere Deutschland“ heraus. Die DFG Sieg-Lahn-Dill war überaus rege und erfreute sich großen Zuspruchs. Sie veranstaltete Versammlungen mit den Protagonisten der DFG. Es kamen: Fritz Küster, Hellmuth von Gerlach (1866-1935), General a. D. Freiherr Paul von Schoenaich (1866-1954), Heinrich Vierbücher (1893-1939), Heinz Kraschutzki (1891-1982), Hein Herbers (1895-1968, späterer Vertrauenslehrer von Prinzessin Beatrix der Niederlande). Selbst entfernte Orte im Westerwald wurden besucht.
Kopf und „Motor“ des DFG-Bezirks war von 1923 bis 1928 Heinrich Otto (1893-1983), nach dem Zweiten Weltkrieg dritter Landrat und erster Arbeitsdirektor der Hüttenwerke Geisweid. Wilhelm Fries löste Otto als Bezirksleiter ab. Im Jahr 1930 übernahm Hans Labus (1901-1966) die Leitung. Das Engagement der Pazifisten gegen die Reichswehr, die Rüstung und für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung machte sie zu Gegnern der Deutschnationalen und der Nationalsozialisten. Schon 1924 gab die DFG die Parole „Hakenkreuz und Stahlhelm sind Deutschlands Untergang“ heraus. Sie kämpfte – leider vergebens – bis 1933 für die Republik. Das brachte für viele Pazifisten Verfolgung und Tod im „Dritten Reich“ mit sich.
Die Überlebenden ließen sich nach dem verlorenen Krieg nicht davon abhalten, erneut für ihre Ziele zu kämpfen. In den 1950er Jahren wurde der U-Boot-Kommandant im Ersten Weltkrieg, Martin Niemöller (1892-1984), nunmehr Kirchenpräsident von Hessen und Nassau, Präsident der DFG.
Quelle: Pressemitteilung der Herausgeber
Link zur Buchvorstelung auf derwesten.de: http://www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-siegen-kreuztal-netphen-hilchenbach-und-freudenberg/im-dienst-des-friedens-id8732379.html