Die Quellgebiete von Sieg, Lahn und Eder, das Moor auf der Ginsberger Heide oder den Ederbruch unterhalb der Ederquelle kennen viele Naturfreunde in Siegen-Wittgenstein. Weniger bekannt sind unsere Moore, die aber durchaus weit verbreitet sind. Und so war die Vielfalt von Mooren im Rothaargebirge jetzt Gegenstand eines Seminares, zu dem die BioStation Siegen-Wittgenstein, die Untere Landschaftsbehörde (ULB) des Kreises, das Regionalforstamt und das Planungsbüro Meyer eingeladen hatten.
Besonders moorreich ist das europäische Schutzgebiet „Rothaargebirge und Wiesentäler“ zwischen Hilchenbach, Erndtebrück und Netphen. Viele Moore befinden sich zudem im Staatswald auf dem Rothaarkamm zwischen Jagdberg und Dreiherrenstein. Die Stürme Wiebke und Kyrill haben Fichtenbestände, die eigentlich sowieso nicht dort hingehören, großflächig umgeworfen und damit die Voraussetzung für die Renaturierung von Mooren erleichtert. Und so bestand der eigentliche Schwerpunkt des Seminars im Kennenlernen erprobter und besonders erfolgreicher Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen und deren Bewertung aus naturschutzfachlicher und forstlicher Sicht.
Bis vor vier Jahrhunderten war Westfalen in Teilen Moorland. Man spricht von einem Moor, wenn Böden mindestens 30% organische oder brennbare Masse besitzen bzw. mindestens 30 cm dick mit Torf bedeckt sind, erfuhren die Teilnehmer von Peter Fasel, dem wissenschaftlichen Leiter der BioStation, am Geologischen Lehrpfad bei der Ederquelle.
Die quellenreichen Talsohlen um Ederkopf, Benfe, Dörnbach, Wehbach, dem Elberndorfer und Zinser Bachtal oder dem Schwarzbachtal sind nur leicht geneigt und das Wasser kann dort nur langsam abfließen. Hohe Niederschläge und geringe Verdunstung haben dort unzählige kleine Moore entstehen lassen. Bis in die 50er Jahre nutzte man sie zur Gewinnung von Streumaterial für die Ställe. In den 60er Jahren war das Streumaterial kaum mehr gefragt, die Moore wurden vermeintlich nutzlos. So begann die Entwässerung, damit der Boden befahrbar wurde oder mit Fichten aufgeforstet werden konnte – was aber vielerorts nicht wirklich funktionierte.
Kurioserweise liegt bei uns das mit über 7.000 Jahren älteste und mit über 3,5 m tiefste Moor heute in Erndtebrück zwischen Edertal und Bahnhof. Moosbeere oder Rosmarinheide weisen es als Hochmoor aus. Die übrigen Moore liegen von Wald oder Waldwiesen eingeschlossen in den obersten Quellregionen der Bäche und umfassen bis zu 20 Hektar Einzelausdehnung.
Nach dem mit etwa 1,5 Hektar noch kleinflächigen Ederbruch war das über 10 ha große Moor im Eicherwald mit der baumfreien, wollgras- und pfeifengrasreichen Vegetation und einem Karpatenbirken-Bruchwald nächstes Ziel der Erkundungstour. Abschluss der Rundreise bildete ein basen- und sehr orchideenreiches Niedermoor bei Birkefehl, wo die Teilnehmer besonders erstaunt über Kriechweide, Sumpf-Läusekraut oder die Flohsegge waren.
Neben ihrer Arten- und Biotopschutzbedeutung konservieren lebendige Moore in den Torfen auch die Pollen der historischen Pflanzen. Mit zunehmender Tiefe ist es möglich, auch die Pflanzen, die vor Jahrtausenden hier gewachsen sind, und die klimabedingten Veränderungen zu erforschen. So können Wissenschaftler ein regionales Archiv der nacheiszeitlichen Vegetations- und menschlichen Siedlungsgeschichte rekonstruieren.
Der Kreis Siegen-Wittgenstein besitzt mit seinen Nieder- und Übergangsmooren, seinem Hochmoor, den Streu- und Bergwiesen, Borstgrasrasen, Heiden, Gewässern und Wäldern in den FFH- und Naturschutzgebieten für Nordrhein-Westfalen eine besondere Verantwortung beim Erhalt der Biologischen Vielfalt. Etwa 30 ha Auen- und Moorflächen im Elberndorfer und Zinser Bachtal oder im oberen Edertal und den Seitentälern wurden vor allem nach dem Sturm Wiebke durch das Regionalforstamt Siegen-Wittgenstein von Fichten freigestellt. Anfang der 90er Jahre konnten dort 90 Tümpel angelegt und Quellen wie die der Eder sowie Bachläufe renaturiert werden. Im Zusammenhang mit der Gewässerrenaturierung ist auch die Renaturierung der Siegquelle zu sehen.
Zahlreiche Landwirte pflegen heute die Heide- und Moorwiesen auf dem Rothaarkamm, die willkommene Abwechslung für Wanderer und Naturfreunde auf dem Rothaarsteig sind. Die Pflegetrupps von ULB und der BioStation haben durch Moorgrabenverschlüsse oder Entbuschungen die wasserbaulichen Voraussetzungen für die Moorregeneration vielerorts wieder sichergestellt. Weitere Optimierungen erfolgen im Rahmen von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Ein Planungsbüro hat im Rahmen artenschutzrechtlicher Prüfungen Untersuchungen durchgeführt und Vorschläge für geeignete Aufwertungsmaßnahmen entwickelt.
Die ergriffenen Maßnahmen stehen auch im Zusammenhang mit internationalen Verpflichtungen. Europäische Union, Bund und die Bundesländer haben Biodiversitäts-strategien für Arten und Lebensräume entwickelt. Seit Mai 2008, als die 9. UN-Naturschutzkonferenz in Bonn tagte, hat sich auch Nordrhein-Westfalen als damaliges Gastgeberland intensiv mit dem Schwerpunktthema „Biologische Vielfalt wieder herstellen“ auseinandergesetzt. Mit seinem Beitritt zur internationalen Kampagne „Countdown 2010 – Save Biodiversity“ hat sich NRW bereits im November 2007 zu einer Reihe von Leistungen für die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt verpflichtet und bis 2010 Maßnahmen zur Bekämpfung des weiteren Rückgangs in die Wege geleitet. Hierzu gehören auch die Beiträge aus dem Kreis Siegen-Wittgenstein.
Quelle: Pressemitteilung des Kreises Siegen-Wittgenstein, 15.8.2013