Uraufführung von Emma Goslars „Erika“ 1908 in Siegen

Eine Episode der Siegener Theatergeschichte in 2 Berichten der Siegener Zeitung:

Siegen, 4. Juni 1908:

„Am Freitag wird im Kaisergartentheater Wildes „Salome“ wiederholt. Vorher geht die Erstaufführung eines Dramas in 1 Akt von Frau Emma Goslar, Siegen, „Erika“ betitelt, das das Lebensschicksal einer jungen Waise behandelt, die an der zu dem verheirateten Bruder ihrer Freundin gefaßten leidenschaftlichen Liebe zugrunde geht. Der Schluss des Dramas soll von erschütternder Wirkung sein. Frau Goslar ist durch ihre Gedichte in den weitesten Kreisen bekannt und beliebt geworden und es ist anzunehmen, daß auch dieser ihr erster Bühnenversuch weitgehendes Interesse erwecken wird, zumal der Sohn der Dichterin Herr Julio Goslar zwei stimmungsvolle Lieder, ein Notturno und einen Walzer zu dem Drama komponiert hat. ….“

Siegen, 6. Juni 1908:

„Im Kaisergartentheater wurde gestern Abend vor sehr gut besetztem Hause das das Wildesche Drama „Salome“ wiederholt. Vorher ging die Erstaufführung eines von Frau Emma Goslarhierselbst geschaffenen dreiaktigen Dramas, „Erika“ betitelt, ein kleines Bühnenwerk, das als erster dramatischer Versuch der Verfasserin zu gelten hat und auch als solches beurteilt werden muß. Zunächst zum Inhalt: Erika, die verarmte Waise eines hohen Offiziers, ist gezwungen, die Stelle einer Gesellschafterin bei ihrer Freundin anzunehmen. Der Bruder dieser Freundin ist Leutnant, Gatte einer unbedeutenden Frau, an deren Seite er manches vermißt.  Beide lieben einander. Erika kämpft mutig gegen diese Empfindungen an, aber ihre Liebe ist stärker als sie. In richtiger Konsequenz sagt sie sich jedoch, daß in diesem Augenblicke auch ihre eigene Ehre und und das Lebensglück Ernos und seiner Gattin vernichtet ist; sie beschließt, aus dem Leben zu scheiden, und genießt nur im Augenblick des Sterbens das höchste Glück innigster Seelenharmonie.  Das Drama schließt damit, daß Erno ihr im Tode nachfolgt.

Diesen an und für sich nicht uninteressaten Stoff hat die Verfasserin ohne jedes Beiwerk in kräftigen Zügen darzustellen versucht,  ein Beginnen, das vom bühnentechnischen Standpunkte aus nicht ohne Bedenken unternommen werden konnte. Der Zuschauer will bei einem Drama die seelische sich entwickeln sehen und ist auf solch plötzliche Übergänge nicht gefaßt wie sie gestern Abend der Charakter der Erika bot. Derartige Sachen werden sich immer besser lesen als bühnenwirksam darstellen lassen. Infolgedessen waren in dem Stück die einzelnen Szenen sehr kurz, vielleicht auch durch Streichungen noch mehr verkürzt worden. Wie wir hören, hat die Aufführung auch darunter gelitten, daß krankeitshalber im letzten Augenblick eine Vertauschung der Rollen erfolgen mußte. Störend wirkte es auch, daß Fräulein Bergmann als Frau von Silbeck, weil sie statt der Erika, die durch Fäulein Stella gegeben wurde, hinter der Szene singen mußte, zu früh und ganz unmotiviert abzugehen gezwungen war. So kam manchens zusammen, um der Aufführung nicht zu dem erwünschten Erfolge zu verhelfen. Dennoch wurde die Verfasserin mit Recht am Schlusse durch Beifall, Kranz- und Blumenspenden ausgezeichnet. Die von Herrn Julius Goslar geschaffenen Kompositionen, zwei Lieder „Rotdorn“ und „Schmerz und Wonne“ sowie ein Notturno, waren anerkennenswerte musikalische Leistungen. Gespielt wurde im ganzen gut, außer den bereits erwähnten Damen spielten Fräulein Paul, Fräulein Riese, Fräulein Homilius und die Herren Albrecht und von Dahlen. ….“
Die Wikipedia erwähnt in ihrem Eintrag über Emma Goslar nur noch ein weiteres dramtisches Werk: das 1915 entstandene Festspiel „Deutschland über alles“, das sie als deutschnational gesinnte Patriotin zeigt. Das Westfälische Autorenlexikon erwähnt darüber hinaus  keine weiteren dramatischen Werke Emma Goslars. Auch in Franz Brümmers „Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart.“ Bd. 2., Leipzig, 1913 (6. Aufl.), S. 410, finden sich keine Hinweise auf weitere dramatische Werke.

Link zur Geschichte des Kaisergartens.

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