Ausstellung: „Bau[Spiel]Haus“

Neues Museum Nürnberg, 22.03.2019 bis 16.06.2019

Alma Siedhoff-Buscher, Kinderspielschrank, 1923 (Nachbau, 1940er Jahre)
Foto: Kalan Konietzko

„Das Neue Museum Nürnberg feiert 2019 wie ganz Deutschland und viele inter­nationale Partner das Gründungs­jubiläum des Bauhauses in Weimar. Die legendäre Schule für Gestaltung verändert seit 100 Jahren das Bild unserer Welt. Ihre Konzepte für Bildung und Produktion, und damit letztendlich für die Gestal­tung eines neuen Miteinanders, sind bis heute unübertroffen.

Produktives und überaus innovatives Ele­ment war der spielerische Ansatz im bildnerischen Prozess der Bauhaus-Lehre und noch immer ist für das tief verankerte Bedürfnis nach kreativem Ausdruck das Spiel als künstlerische Strategie besonders wegweisend.

Die Bauhaus-spezifische und bis heute bewährte Einbindung von Spielkon­zepten und Spielräumen in die gestalterische Entwicklung verfolgt die umfangreiche Ausstellung BAU [ SPIEL ] HAUS im Neuen Museum Nürnberg. Reform­päda­gogi­sche Theorien des 19. Jahrhunderts werden ihren Ausprägungsformen im aktu­ellen Zeitgeist gegenübergestellt und Friedrich Fröbels Spielgaben treffen auf LEGO Architecture, Kreativlabore des Silicon Valley sowie zeitgenössische Posi­tionen in Kunst und Design. Heute, wo Computerspiele salonfähig und Intelligenz programmierbar geworden sind, scheinen Fragen nach Innovation und Kreativität in zeitgemäßen Lebens- und Arbeitsentwürfen aktueller denn je.

Schon Bauhaus-Meister wie Walter Gropius und Johannes Itten erkannten das weitreichende soziale und gestal­terische Potential des Spiels – zu einer Zeit, in der es galt, aus den Trümmern der alten Welt Neues zu erschaffen. Sie machten das Spielerische zur Grundlage ihrer interdisziplinären Vorkurse und die 1919 in Johannes Ittens Antritts­vorlesung manifestierte Idee einer Verbindung von Arbeit und Spiel wurde programmatisch. Die Bauhaus-Schule nutzte die menschliche Motivation zum Spielen als Motor für Entwicklung und Gestaltung. Das Neue Museum spürt dieser Tradition nach und verfolgt die Tradierung des Bauhaus-Vermächt­nisses über die Gegenwart bis in die Zukunft hinein.

Die Ausstellung BAU [ SPIEL ] HAUS widmet sich in thematischen Clustern einer besonderen, der Bauhaus-Lehre innewohnenden Spielkultur, durch die auf revolutionäre Weise ein neuer Zugang zu kreativem Ausdruck ermög­licht werden sollte. Reform­päda­gogi­sche Ansätze der Zeit, am prominen­testen von Friedrich Fröbel und Maria Montessori vertreten, wurden in die Bauhaus-Pädagogik integriert. Das zeigt sich anschaulich an dem Bauauftrag an Walter Gropius und das Bauhaus für ein „Fröbel-Haus“, das aus Kostengründen nicht realisiert werden konnte: Die radikale Verschränkung von Spielen und Arbeiten wurde später aber im Entwurf des Dessauer Bauhausgebäudes übernommen, Gropius sprach hier liebevoll von seinem „Baukasten im Großen“.

Von besonderer Bedeu­tung für die Ver­mittlung dieser spielerischen Kultur über den Atlantik war der Bauhaus-Schüler und spätere Werkmeister Josef Albers, der 1933 in die USA emigrierte und so die Bauhaus-Päda­gogik unter anderem am Black Mountain-College vertrat. Von hier strahlten die mächtigen Kreativitäts­modelle über Archi­tekten wie Richard Buckminster-Fuller in die amerikani­sche Counterculture der 1960er und 1970er Jahre aus. In ländlichen Hippie-Kommu­nen wie Drop City wurden, parallel zu den Revolutionen in der Informations­tech­nologie, Muster neuer Lebensformen entwickelt und erprobt, die maßgeblichen Einfluss auf die Philosophie heute weltumspannender Konzerne wie SAP, Apple, Google, Facebook und Amazon hatten. Wegweisend wurde die so adaptierte und weiterentwickelte spielerische Kultur des Bauhauses auch von den Akteuren der Creative Economy Mitte der 1990er Jahre aufgenommen. Die Themen­cluster der Ausstellung machen nicht nur Spiel­konzepte und Spielräume, sondern auch deren viel­schich­tige Auswirkungen bis hinein in virtuelle Sphären greifbar.

Mit Alma Siedhoff-Buschers poly­funktio­nalem Spielzimmer in dem würfel­för­migen Weimarer Musterhaus „Haus am Horn“ veranschaulicht BAU [ SPIEL ]­ HAUS ein radikales Spielkonzept: Jedes Element des Zimmers ist auf Offenheit und Kreativität angelegt und so können Staukästen als Sitzkuben genutzt, ein Schrank zum Puppentheater oder eine Wickelkommode zum Schreibtisch umfunktioniert werden. In Form originaler und rekonstruierter Möbel und Spielzeuge, zugehöriger Entwurfszeichnungen und Publikationen tritt das Spielzimmer in einen spannenden Dialog mit heutigen Möbelstücken, aber auch mit populären, pädagogisch gepriesenen Computerspielen. Ergänzt wird die Ausstellung von eigens produzierten installativ-performativen Arbeiten, unter anderem von Olaf Nicolai und Liam Gillick.

Die Stadt Nürnberg, in der Institu­tionen wie das Spielzeugmuseum, das Deutsche Spielearchiv oder die weltweit renommierte Spielwarenmesse beheimatet sind, hat eine jahr­hunderte­alte Spieletradition. Die vor dieser Kulisse konzipierte, umfang­reiche Ausstellung nimmt mit der Bauhaus-Ära (1919-1933) eine Epoche in den Fokus, in der das Spiel generell Konjunktur hatte.

BAU [ SPIEL ] HAUS feiert mit über hundert Werken aus über hundert Jahren dieses Vermächtnis und seine noch immer zukunftsweisenden Ansätze, aber auch die Lust am Spielen selbst: Sowohl der Ausstellungsraum als auch das Begleit­programm laden zum Schauen, Lernen und Partizipieren ein, blicken in die Vergan­genheit und machen neugierig auf Zukünftiges.

Mit zeitgenössischen künstlerischen Beiträgen u. a. von Liam Gillick (GB) und Olaf Nicolai.“

Quelle: Neues Museum Nürnberg, Presse-Info zur Ausstellung

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