Käthe Stern gestorben

Käthe Stern an ihrem 100. Geburtstag in der Synagogengemeinde von Harrow in London.

Käthe Stern an ihrem 100. Geburtstag in der Synagogengemeinde von Harrow in London.

Uns erreichte die Nachricht, dass am 24. Oktober 2013 Käthe Stern im Alter von 105 Jahren in London friedlich entschlafen ist. Käthe Stern wurde am 27. Januar 1908 als jüngstes von sieben Kindern des Siegener Kaufmanns Julius Stern und seiner Ehefrau Paula in der Sandstraße 20 geboren. Dessen Vater, Meyer Leser Stern, hatte 1884 die jüdische Gemeinde in Siegen gegründet und war bis 1919 ihr 1. Vorsitzender. Vater Julius Stern hatte das Konfektionsgeschäft seines Vaters übernommen. Käthe Stern wurde 1914 in der jüdischen Volksschule am Obergraben eingeschult. Sie wechselte mit ihrem Lehrer Simon Grünewald nach dem Ersten Weltkrieg in die Stadtschule am Unteren Schloss, weil die jüdische Schule wegen Schülermangels geschlossen wurde. Nach dem Besuch der Höheren Handelsschule machte sie eine kaufmännische Lehre im Kaufhaus Tietz am Markt. Sie wurde als Kontoristin übernommen und 1934 – nach der „Arisierung“ des Kaufhauses Tietz – wie alle jüdischen Angestellten entlassen. Sie verzog dann nach Augsburg, wo sie im Haushalt ihrer Cousine arbeitete, die mit dem bekannten Rabbiner Benno Jacob (vormals in Dortmund) verheiratet war. Nach einem kurzen Aufenthalt in Siegen, floh sie dann im Februar 1939 nach London. Dort war sie wieder mit der Rabbinerfamilie zusammen, der auch die Flucht aus Augsburg gelungen war. Drei behinderte Brüder kamen in „Krankenanstalten“ der Nazis ums Leben. Ihr Vater Julius und ein Bruder verstarben in Siegen in den 20er Jahren. Ihre Mutter und Käthes Schwester Anna mit Mann und Baby sowie Bruder Herbert Stern mit Ehefrau wurden am 28. April 1942 nach Zamosc in Polen deportiert und ermordet. Stolpersteine in der Emilienstraße und Sandstraße erinnern an sie. Käthe Stern nahm Jahre nach dem Krieg wieder Kontakte mit Menschen in Deutschland auf. Sie besuchte öfter einen Cousin in Anröchte, den Geburtsort ihrer Mutter, der das KZ Theresienstadt überlebt hatte. Auch in Siegen war sie ab und zu, um eine ehemalige Klassenkameradin Elisabeth Koch zu besuchen. Mit ihr, die noch heute in Siegen lebt, war sie über Jahrzehnte durch Besuche, Briefwechsel und Telefon in Verbindung. Käthe Stern lebte zuletzt allein mit einer Freundin in London. Anlässlich ihres 100. Geburtstages suchten sie die Siegener Stadtverordnete Traute Fries und Klaus Dietermann, Leiter des Aktiven Museums Südwestfalen, auf. Klaus Dietermann: „Ich war in den letzten Jahren mit Frau Stern in regelmäßigem Telefonkontakt. Sie war geistig frisch und konnte mir viel über die Geschehnisse in der jüdischen Gemeinde von Siegen erzählen. Bis zuletzt war sie noch täglich eine halbe Stunde mit ihrer Gehhilfe spazieren. Sie war ein positiver Mensch, trotz allem, was ihrer Familie widerfuhr.“
Text und Bild: Klaus Dietermann. Vielen Dank dafür!

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