2 aktuelle Aufsätze zur regionalen Religionsgeschichte erschienen:

  1. Veronika Albrecht-Birkner (2024): „Konkurrenz zwischen religiöser High und Low Culture im Siegerland seit dem 18. Jahrhundert“, in: Symposium kultur@culture 6. DOI: https://doi.org/10.2478/sck-2023-0016.

Anhand des Siegerlandes in Südwestfalen wird exemplarisch verfolgt, wie der reformatorische Impuls des Priestertums aller Gläubigen seit dem 18. Jahrhundert zu einem Wettkampf um religiöse Deutungshoheiten zwischen der religiösen high culture in Gestalt von Landeskirche und Obrigkeit auf der einen Seite und verschiedenen Formen religiöser low culture auf der anderen Seite führte. Letztere verbindet trotz faktischer Rivalität auch untereinander die Betonung einer unbedingten Verbindlichkeit der Bibel in ihrem Wortlaut in Abgrenzung zur (historisch-kritischen) Theologie und einer von Theologen geleiteten Kirche. Seit dem späten 20. Jahrhundert kommt ein Trend zu fundamentalistisch-konservativen Positionen in bewusster Unterscheidung von der Mainstream Culture hinzu, die auch bei den Landeskirchen vermutet wird. Dies führt zu einer Distanzierung von der Landeskirche auch bei solchen Laiengemeinschaften, die sich ursprünglich als Teil der Kirche verstanden.

  1. Stefanie Siedek-Strunk; Veronika Albrecht-Birkner: „…daß in einer dortigen Zeitschrift heftige Ausfälle gegen mich geschehen seyen“. Medienkampagnen gegen religiöse Deutungen von Naturkatastrophen durch Johann Heinrich Jung-Stilling im Kontext spätaufklärerischer Debatten um Apokalyptik und Schwärmertum, in: Zeitsprünge 27/2 (2023), 224-247. DOI: https://doi.org/10.3196/2751515×232712136

Der Beitrag untersucht die vor allem in bildungsbürgerlichen und wissenschaftlichen Periodika in Süddeutschland und der Schweiz ausgetragene Diskussion um die chiliastische Deutung des Bergsturzes von Goldau (1806) durch den Arzt und Laientheologen Johann Heinrich Jung-Stilling im Kontext der spätaufklärerischen Debatten um den Schwärmerbegriff. Als Ursache für die vehement negativen Reaktionen in der Presse kommen zeitliche und sachliche Zusammenhänge mit religiös nonkonformen Bewegungen in den Blick, die im Kontext der napoleonischen Besetzung bzw. der Koalitionskriege als zusätzliche Bedrohung der gesellschaftlichen Stabilität wahrgenommen wurden. Es wird gezeigt, wie Jung-Stilling den Mediendiskurs gezielt in Anspruch nahm, um Ereignisse in durchaus populistischer Weise für seine Anliegen ‚auszuschlachten‘, während es der etablierten Presse darum ging, die Diskurshoheit zurückzugewinnen, und zwar durch eine Strategie der Resistenz gegenüber Jung-Stillings Ansichten als einer vermeintlich vorübergehenden ‚Modeerscheinung‘. Die öffentlich ausgetragene Debatte wird als Teil einer Entwicklung interpretiert, die Kontinuitäten von der Spätaufklärung zur Romantik bzw. den Erweckungsbewegungen markiert.

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