Chronik 1945 – 1958: Geschichte der Jugendverbände im Kreis Siegen 3:

Ein beim Umzug eines Mitarbeiters aufgefundener Ordner.

Ein beim Umzug eines Mitarbeiters aufgefundener Ordner.

Die „Internationale Jugendwoche“ im Siegerland

Zwischen dem 12. und 18. September 1949, also bereits vier Jahre nach Kriegsende, fand die „Internationale Jugendwoche“ im Siegerland statt. Erwartet wurden Gäste aus England, Frankreich, Holland, Schweden und aus der Schweiz. Die Veranstalter der „Internationalen Jugendgruppe“ waren die Jugendringe Siegerland, Olpe und Wittgenstein. Ein möglicher Grund für diese mehrtägige Veranstaltung war es eventuell, nach dem Krieg freundschaftliche Beziehungen zum Ausland aufbauen zu wollen. Außerdem wollte man den ausländischen Gästen das Leben im Siegerland zeigen, man wollte zum Beispiel Rundfahrten nach Freudenberg und auf die Freusburg veranstalten und einen Einblick in die Jugendarbeit in Siegen geben.

Erstes Blatt des vorkurzem an das Kreisarchiv übergebenen Aktenbandes

Erstes Blatt des vorkurzem an das Kreisarchiv übergebenen Aktenbandes

Den Unterlagen nach kamen jedoch nur Engländer, Holländer und Schweden zu Besuch, von den Gästen aus der Schweiz und aus Frankreich ist in den Listen keine Rede mehr. Die Woche ist laut der Chronik gut verlaufen und hat die Beziehung zwischen dem Engländer Mr. Biffen, dem damaligen Jugendpfleger von Kingswood, und dem Kreis Siegen gestärkt. Negative Kritik seitens der Engländer gab es jedoch auch. Der englische Journalist Mr. Hicks, der ebenfalls Teilnehmer der „internationalen Jugendwoche“ war, kritisierte die deutsche Jugend in seiner Zeitung scharf. Seiner Meinung nach haben die Jugendlichen den Eindruck erweckt, als wollten sie geführt werden und als wären sie von Massenaktionen, wie zum Beispiel gemeinschaftliches Singen, begeistert. Er deutete den Vergleich zur NS-Zeit nicht nur an, sondern schrieb anscheinend auch, dass ihn die Eindrücke, die er von der Jugend gewonnen hat, an die Bilder der Hitler-Jugend erinnerten, gerade bei gemeinschaftlichen Aktionen.

Dass die Siegerländer und die Organisatoren der Woche alles, was Mr. Hicks schrieb, abgestritten haben und es Empörung ausgelöst hat, war auch ohne einen Bericht darüber vorhersehbar. Inwieweit Mr. Hicks Recht hatte, lässt sich anhand der Chronik und den beiliegenden Quellen schwer sagen, wobei man sich vorstellen kann, dass es Ende der 1940er Jahre noch strenger und „geordneter“ zuging als 20 Jahre später, da die NS-Zeit erst vier Jahre her war. Die anderen ausländischen Gäste waren aber anscheinend begeistert und die Engländerin Jean M. Gilby schrieb einen durchaus positiven Bericht über ihren Besuch im Siegerland. Wobei sie ein paar Punkte aufzählte, die in gewisser Weise zu der Kritik von Mr. Hicks passen. Sie berichtete zum Beispiel, dass die Mädchen alle weiße lange Strümpfe getragen hätten, sie sehr viel Respekt vor den Autoritätsperson hätten und sie sehr lange Reden mit ernstem Ausdruck verfolgten, ohne sich ablenken zu lassen. Jean M. Gilby betrachtete diese Punkte aber nicht im Zusammenhang  mit der deutschen Vergangenheit, sondern sah es als positive Eigenschaften an.

Da die Kritik von den meisten Gästen nicht geteilt wurde, veranstaltete der Kreisjugendring ab 1950 einen Jugendaustausch mit Kingswood. Bei der ersten Fahrt kamen 31 Jugendliche aus dem Siegerland mit nach Kingswood und 1951 kamen 17 Jugendliche aus Kingswood mit nach Siegen. Auch wenn die Zahlen in den drauffolgenden Jahren gesunken sind, wurde 1952 ein weiterer Austausch nach London geplant. Außerdem verlief gleichzeitig ein Austausch für Erwachsene. Der Generalsekretär des Instituts für Auslandsbeziehungen veröffentlichte in den Mitteilungen des Instituts die „Goldene Regeln für Auslandsreisende“, in denen er die Deutschen dazu auffordert, sich im Ausland nicht auffällig oder prahlend zu verhalten. Es scheint den Deutschen sehr wichtig gewesen zu sein, was das  Ausland von ihnen hält, zudem gerade die Siegermächte ein Auge auf Deutschland gehalten haben.

Die Geschichte der Jugendverbände hat einige spannende Punkte und spielte im Kreis Siegen eine wichtige Rolle, zunächst zwar durch den Zwang der britischen Militärregierung, aber schnell engagierten sich die Siegerländer auch von selbst und bauten eigene Ideen in die Jugendarbeit mit ein.
DvD

Quelle:
Akte „Chronik 1945-1.4.1958“, Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein

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