Kunstretter damals und heute

Foto: Daniel Helmes

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Von den amerikanischen Monuments Men bis zum syrischen Heritage for Peace: Workshop über die Rettung von Kulturgütern im FoKoS der Universität Siegen.

Sie begaben sich mitten in die Wirren des zerstörten Europas und suchten nach Kunstschätzen, um diese ihren rechtmäßigen Eigentümern zurückzugeben: Die „Monuments Men“. Sie haben nicht nur Hollywood zu Filmstoff verholfen, sondern waren Thema des Workshops „Rettung historischer Kulturgüter vor Krieg und Zerstörung – Vom Zweiten Weltkrieg bis Syrien“ unter der Leitung von Dr. Uwe Hunger und Sascha Krannich im Forschungskolleg „Zukunft menschlich gestalten“ (FoKoS) der Universität Siegen.

Prof. Dr. Paul Harris (v.l.), Dr. Tanja Bernsau, Isber Sabrine und Dr. Uwe Hunger. Foto: Daniel Helmes

Prof. Dr. Paul Harris (v.l.), Dr. Tanja Bernsau, Isber Sabrine und Dr. Uwe Hunger. Foto: Daniel Helmes

Kulturelle Identität darf nicht vernichtet werden

Kunstraub ist keine Besonderheit des 20. Jahrhunderts“, erklärte Prof. Dr. Paul Harris von der Auburn University im US-Staat Alabama. Der Rechtsphilosoph Francis Lieber habe bereits mit dem Lieber-Code ein frühes Kriegsvölkerrecht aufgesetzt, das von Abraham Lincoln unterzeichnet im Amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 galt. Harris sieht hierin einen Vorläufer der Genfer Konventionen, in denen der Schutz von Kulturgütern und Kultstätten im Kriegs- oder Konfliktfall bis heute Bestand hat. Dahinter steht die Idee, dass mit der Vernichtung der Kulturgüter auch die kulturelle Identität vernichtet wird. Im Zweiten Weltkrieg haben deutsche Truppen geraubte Kunstschätze vor dem Bombenkrieg in Sicherheit gebracht und an verschiedenen Orten verborgen, auch in einer alten Kupfermine in Siegen. Genau diese Verstecke und Sammlungen waren es, die von den „Monuments Men“ ausfindig gemacht wurden. „Die Monuments Men waren keine Soldaten, sondern Künstler oder Architekten“, erklärte Harris. So verwunderte es kaum, dass unzählige Photographien und Texte aus dieser Zeit existieren, beispielsweise das Buch „Salt Mines and Castles“, in dem der „Monuments Man“ Thomas Howe 1946 seine Erlebnisse niederschrieb. „Es war ein Wettrennen, um die Kunstschätze zu retten“, beschrieb er die Situation. Dabei hatten die „Monuments Men“ im zerstörten Deutschland mit einer ganzen Reihe von Problemen zu kämpfen, allen voran die Sicherung und Lagerung der geborgenen Kunstschätze. Es habe sich laut Dr. Tanja Bernsau von der Universität Gießen um etwa 700.000 Kunstwerke gehandelt. Der Architekt und Kunstschutzoffizier Walter Farmer wurde mit der Einrichtung des „Central Collecting Point“ in Wiesbaden beauftragt, um die Kunstschätze angemessen unterzubringen.

Die syrischen Monuments Men

„Es geht um die syrischen ‚Monuments Men’ von heute“, leitete der Workshopleiter Dr. Uwe Hunger den dritten Teil des Workshops mit dem syrischen Archäologen Isber Sabrine ein. Einige der syrischen Städte zählen zu den ältesten der Welt, so wie das rund 15.000 Jahre alte Damaskus. „Wir als Archäologen sagen, Syrien ist ein Museum; wohin man schaut, überall sind historische Stätten“, erklärte Isber Sabrine. Er arbeitete vor dem Syrien-Konflikt als Fremdenführer. In Siegen zeigte Sabrine nun erschreckende Aufnahmen von illegalen Ausgrabungsstätten in Aleppo. Der Sandboden auf den Luftbildern wirkte durchlöchert von den dunklen Flecken der illegalen Schatzgrabungen. Sabrine gründete die Nicht-Regierungsorganisation „Heritage for Peace“ mit rund 150 Syrer vor Ort und mehr als 20 internationalen Freiwilligen. Mit den „Monuments Men“ vereint die Kunstschützer von „Heritage for Peace“, dass sie sich für die Rettung der Kultur einsetzen, dabei ist ihnen der Verhandlungspartner zweitrangig. „Wir arbeiten mit allen Syrern; mit der Regierung und mit den Oppositionellen.“, stellte Sabrine klar. 2014 hatte man einen Durchbruch in den Verhandlungen erreicht. Assad und die oppositionellen Kräfte einigten sich auf den Schutz der syrischen Kulturgüter. „Das war das erste Mal, dass die miteinander verhandelt haben“, erzählt Sabrine stolz. Doch die Freude über den Erfolg hielt nicht lange. Der aufkeimende „Islamische Staat“ nehme keine Rücksicht auf diese Verhandlungen. Der IS zerstöre demonstrativ alles, was ihnen zuwider ist.

Aufklärung und Dokumentation als Waffe

Die einzige Waffe, die den Freiwilligen von „Heritage for Peace“ zur Verfügung steht, um sich dem entgegenzustellen ist Information. Auf www.heritageforpeace.org bieten sie Infos für den Kulturgüterschutz in Kriegszeiten. Zudem haben sie mit der syrischen Generaldirektion für Altertümer und Museen eine No-Strike-Liste für Aleppo herausgegeben. Zusammen mit dem Museum für islamische Kunst in Berlin bemüht sich Sabrine im „Syrian Heritage Mapping Project“ um eine möglichst vollständige Erfassung der bekannten archäologischen Schätze in Syrien. Dabei kann Isber Sabrine den Menschen keinen Vorwurf machen, die für illegale Ausgrabungen in Aleppo verantwortlich sind. „Wenn die Menschen hungrig sind und Geld brauchen, graben sie nach Schätzen und verkaufen diese – auch an deutsche Kunstsammler“. Darum sei es so wichtig aufzuklären und zu dokumentieren, welche Schätze geraubt werden, erklärte er und erntete vom sichtlich beeindruckten Workshopleiter Dr. Uwe Hunger ein Kompliment, da sein Input voller „Herzblut“ gewesen sei.
Quelle: Universität Siegen, Pressemitteilung, 22.1.16

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