„Zeitspuren“-Linktipp: Karte des Kreises Siegen vom Juli 1817

Das Forschungsprojekt zur Geschichte des 19. Jahrhunderts im Gebiet des Kreises Siegen-Wittgenstein veröffentlicht auf seiner Homepage auch repräsentative Quellen, wie z. B. die Karte des Kreises Siegen vom Juli 1817.
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26 Gedanken zu „„Zeitspuren“-Linktipp: Karte des Kreises Siegen vom Juli 1817

  1. Im Kurzkommentar der „Zeitspuren“-Bearbeiter zu dieser Karte heißt es:
    „Auffallend ist die Nicht-Verzeichnung des Amtes Ferndorf, die für eine unzureichende Ortskenntnis des Zeichners spricht – möglicherweise handelte es sich um einen ungeprüften ‚Schnellschuss‘.“
    Bevor womöglich die Aussage in das projektierte Monumentalwerk zur Kreisgeschichte übernommen und damit ihrerseits als „Schnellschuss“ konserviert wird, könnten die Autoren noch tiefer in die verwirrende Siegerländer Verwaltungsgeschichte eintauchen. Der Zeichner Friedrich Carl Padberg, spätestens seit 1823 als Kataster-Geometer bei der Arnsberger Regierung nachgewiesen, war vermutlich auch 1817 nicht bloß irgendein Hobby-Kartograph mit unzureichenden Ortskenntnissen. Wenn er ein „Amt Ferndorf“ nicht verzeichnete, könnte das schlichtweg daran gelegen haben, dass es ein solches (im Sinne von „Gerichtsbezirk“) 1817 nicht gegeben hatte. Das alte Amtsgericht Ferndorf-Krombach existierte zu dieser Zeit längst nicht mehr. (Dass der Volksmund den Begriff „Amt“ vielleicht synonym für die Bürgermeisterei Ferndorf benutzte, kann ja sein).

  2. Bei der Karte handelt es sich sicherlich um keinen „Schnellschuss“, denn die Karte des Amtes Hilchenbach von 1815 (Henning, Wirtschaftsgeschichte des Hilchenbacher Raumes, S. 141) kennt eine ähnliche Einteilung. Dort reicht das Amt Hilchenbach auch von Lützel bis Osthelden in Ost-West-Ausrichtung. Vom Amt bzw. von der Bürgermeisterei Ferndorf keine Spur. Welche Verwaltungsreformen waren für die Zusammenlegung von Hilchenbach und Ferndorf zwischen 1813 und 1817 verantwortlich, als die Einteilung in „Bürgermeistereien“ erfolgte.

  3. Wilhelm Güthling, Der Kreis Siegen im Jahre 1817, in: Siegerland 44 (1967), S. 1-16: Als Anlage III bringt Güthling ein „Verzeichnis der zum Kreise Siegen gehörigen Städte und Ämter und der darin angestellten und fungierenden Behörden 1816, zusammengestellt aus Archivalien des Staatsarchivs Koblenz“. Genannt werden (neben dem Stadtbezirk Siegen) genau die 6 Ämter, die auch in Padbergs Karte ausgewiesen sind. Ferndorf findet man in Anlage II im Verzeichnis der 11 Bürgermeistereien.
    Damit nicht erst ein falscher Eindruck entsteht: Es geht hier nicht um Spitzfindigkeiten von Zaungästen, mit denen das literarische Großprojekt miesgemacht werden soll. Lieber schon jetzt alles Auffällige ansprechen, als die beiden Bearbeiter (w/m) einfach später in die Messer der Rezensenten laufen zu lassen.

      • Frau Strautz und Herr Pfau wissen, dass ich ihnen auch ohne öffentliche Bauchpinselung gewogen bin und ihre Bemühungen für dieses durchaus problematische Auftragswerk keineswegs gering schätze. Gern spreche ich dem Administrator ein besonderes Lob für alles Lobenswerte bei Siwiarchiv aus :-) :-) :-)

  4. Der „Zeitspuren-Bearbeiter“ dankt Peter Kunzmann für diesen wichtigen Hinweis und Bernd Plaum für seine ergänzenden Anmerkungen. Damit ist zugleich der von siwi-archiv dankenswerter Weise ermöglichte Meinungsaustausch über die „Ereignistafel“ eröffnet, die im Rahmen des Forschungs- und Buchprojekts „Zeitspuren in Siegerland und Wittgenstein. Das lange 19. Jahrhundert“ präsentiert wird. Zu diesem Meinungsaustausch sind sach- und fachkundige ebenso wie allgemein heimat- oder regionalgeschichtlich Interessierte herzlich eingeladen. Sachliche Unrichtigkeiten werden, wie in diesem Fall, möglichst zeitnah korrigiert. Friedrich Carl Padberg hat sich bei der Erstellung dieser Karte nicht an der zu dieser Zeit noch üblichen Verwaltungsgliederung nach Bürgermeistereibezirken, sondern an der 1817 geltenden Einteilung der Gerichtsbezirke orientiert. Wer würde behaupten wollen, dass diese Aufgabe einem „Hobby-Kartographen“ erteilt worden wäre? :-)

  5. Woran sich Padberg auch immer orientiert haben mag, an den Gerichtsbezirken vielleicht doch nicht! So klagten die Einwohner Hilchenbachs 1815 darüber, dass das ehemalige Justizamt „in das unbedeutende Dorf Obernetphen“ verlegt worden war. Sie baten 1825 erneut, die Verlegung des Gerichts wieder rückgängig zu machen? (Vgl. dazu: Mahrenholz/Klein, Zur Geschichte des Amtsgerichts Hilchenbach, in: Recht im südlichen Westfalen, Siegen 1983, S. 138-19, hier: 145-146 ). Nach dieser Erkenntnis hätte Padberg die Grenzlinie zwischen Netphen und Hilchenbach weglassen können, was er aber nicht getan hat.
    Anderersets: Bereits 1775 wurde das alte Gericht Ferndorf/Krombach nicht wieder neu errichtet, sondern zwischen den Justizämtern Freudenberg und Hilchenbach aufgeteilt (s. Weller, Das Gericht Ferndorf und Krombach, in: Ebd., S. 150-156). Danach wurde der ehemalige Gerichtsbezirk Ferndorf/Krombach von Hilchenbach aus betreut. Diesen Sachverhalt wiederum bildet Padberg ab, aber warum bezeichnet er die eingezeichneten Verwaltungsbezirke als „Amt“ und nicht als „Gerichtsbezirk“ wie es in anderen zeitgenössischen Karten durchaus vorkam?

    • Vielleicht ist die Verwendung des Begriffes „Amt“ für „Gerichtsbezirk“ zeitgenössisch gewesen. Im Amtsblatt der königlichen Regierung Arnsberg aus dem Jahr 1839 fand sich bei einer einfachen google-Suche nach „Amt Hilchenbach“ eben diese Verwendung – s. Link: https://books.google.de/books?id=1PtOAAAAcAAJ&pg=RA2-PA62&dq=amt+hilchenbach+1839&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjCn5Xw9IXcAhUm8IMKHS5UAkwQ6AEIKDAA#v=onepage&q=amt%20hilchenbach%201839&f=false

      • Suchbegriffe in Google und Lemma in Wikipedia sagen uns nicht alles! Ein genauer Blick in das Original offenbart uns folgendes: Dort steht nämlich „J.Amt Hilchenbach“, was nichts anderes bedeutet als Justiz-Amt Hilchenbach. Das Gebiet des Justizamtes (=Gerichtsbezirk) ist nicht unbedingt identisch mit dem Amtsbezirk (=Verwaltungsbezirk). Es fand also schon eine sprachliche Unterscheidung statt.

        • 1) Zum Quellenwert von google und Wikipedia muss hier nichts ausgeführt werden – außer dass dort Richtung ermittelt werden kann, in die die vertiefende Recherche gehen sollte.
          2) Meine These ist ja, dass die Verwaltungsbezirke ab 1815ff Bürgermeistereien hießen – s. u. Güthling 1967 – , die Justizbezirke (Justiz-)Ämter. Padberg hat nun offensichtlich für die Beschriftung der Karte die Justizbezirke ausgewählt, evt. ohne dabei besonders akkurat gearbeitet zu haben. Belege für diese möglicherweise rasche Arbeit sind ja hier bereits genannt worden und führen eigentlich auch zu der Frage, warum die Karte überhaupt angefertigt wurde.

  6. Auffällig ist, dass die Dörfer Beienbach und Grissenbach im Amt Netphen gar nicht eingezeichnet sind. Auch ist Wilgersdorf als Wilgersbach bezeichnet. M. E. alles durchaus ein Zeichen mangelnder Sorgfalt.

    • Und wieder muss ich den mir unbekannten Herrn Padberg in Schutz nehmen. Als guter Preuße (wenn er denn einer war) wird er wohl so sorgfältig, wie es ihm die gegebenen Voraussetzungen erlaubten, gearbeitet haben. Offensichtlich kannte er aber das Siegerland nicht persönlich, was aus fehlenden Dörfern und zahlreichen Falschschreibungen zu schließen ist. Welche Vorlage(n) er für seine Zeichnung benutzte und in welchem Zusammenhang diese entstand, wäre sicherlich interessant zu klären. Damit kann man sich ja einmal beschäftigen. Hier ging es zunächst nur um die „Ämter“, und da scheint er nichts falsch gemacht zu haben.

      • Es wird wohl Zeit sich Friedrich Carl Padberg genauer zu widmen. Beim googlen wird man zumindestens auf das Amtsblatt für den Regierungsbezirk Arnsberg aus dem Jahr 1823 verwiesen, dass belegt, das Padberg als „Obergeometer-Gehülfe für Arnsberg“ angestellt war.

        Das hessische Archivinformationssystem weist folgende Angaben aus, die Friedrich Carl Padberg zu beziehen scheinen:
        1) „Topograph beim Landesvermessungsgeschäft im Herzogtum Westfalen
        08.11.1815 Geometer II. Klasse aus Arnsberg
        08.11.1815 Patent
        zuständig für Bereich Westfalen
        Quelle: K. Rößling (Bibl. H 969/50)
        Hess. Ghz.-Ztg. 1815, Nr. 148, S. 1448 “
        Quelle: HStAD Bestand S 1 Nr. NACHWEIS1

        2) „F. A. Padberg [?] wird Geometer in Arnsberg, 1811
        Archivalie 1944 vernichtet “
        Quelle: HStAD Bestand E 1 L Nr. NACHWEIS

        3) “ Padberg, Friedrich
        aus Küstelberg
        bei Geometer Padberg
        1815 Prüfung Geometer 1. Klasse (Herzogtum Westfalen) “
        Quelle: HStAD Bestand G 31 P Nr. 818

        • Sehr schön für den Anfang! Erschwert wird die Recherche dadurch, dass im Westfälischen außer „unserem“ Friedrich Carl gleichzeitig auch ein Berufskollege Franz Anton tätig war. Die Nennung von „Geometer Padberg“ ist also nicht eindeutig. Bei Franz Anton P. handelt es sich möglicherweise um den am 18.2.1793 in Wenholthausen (heute Hochsauerlandkreis) Geborenen, gest. 13.6.1869 in Unna. Für Friedrich Carl wird in einem anderen Amtsblatt der Wohnort Bochum angegeben. Weitermachen!

          • Vielleicht findet sich ja ein Kartenliebhaber oder eine Kartenliebhaberin, die hier weiterrecherchiert ……
            Die beiden Padbergs habe ich ja durchaus wahrgenommen und diese erschweren ein wenig die weitere Suche …..

  7. Padberg hat aber auch sehr präzise gearbeitet: Er wusste z.B. das Sohlbach zum Gerichtsbezirk des Justizamts Siegen gehörte und nicht zum Justizamt Hilchenbach.

  8. Um das „wilde Brainstorming“ zu einem vorläufigen Ende zu bringen, hier ein Zwischenergebnis: Was hat Padberg gezeichnet? Den neuen preußischen Kreis Siegen mit seinen historischen Bezügen: die beiden südlichen Ämter Burbach und Neunkirchen und, das hat offenbar für Verwirrung gesorgt, das ehemalige Fürstentum Siegen mit seinen vier Ämtern Hilchenbach, Freudenbgerg, Netphen und Siegen. Diese Ämter waren nicht nur Verwaltungsbezirke sondern zugleich auch Justizbezirke. Der Amtmann war Verwaltungschef und erstinstanzlicher Richter in einer Person. Die Trennung von Verwaltung und Justiz auch auf der untersten Ebene gehörte zu einer Hauptforderungen während der Märzrevolution 1848 und fand erst später ihre Vollendung. Padberg hat in den aktuellen Umriss „Kreis Siegen“ die alten Verwaltungsstrukturen (von vor 1800 und/ oder von 1813-1815) eingezeichnet
    Welchen konkreten Auftrag Padberg veranlasst hat, die Karte zu zeichnen, kann ja noch erforscht werden.
    Ein launiges und nachdenkliches Wortspiel zum Schluss: past is present, damals wie heute.

    • Nach der vorläufigen Beendigung des Brainstormings ist die andere noch offene und manche Gemüter bewegende Frage am besten dorthin zu verweisen, wo sie am ehesten beantwortet werden könnte.
      Warum enthält die Karte so viele Fehler bei den Ortsnamen und unterschlägt manche Dörfer? Welche Vorlage(n) hat also Padberg (der ja selbst keine „Feldarbeit“ im Kreis Siegen leistete) kopiert und bearbeitet? Ein Vergleich mit den älteren Exponaten in der Kartensammlung des Siegener Stadtarchivs sollte doch unschwer zu einem Ergebnis führen, zumal der frühere Stadtarchivar Güthling sicherlich viel Material zu seinen Kartographie-Studien hinterlassen haben wird. (Hat er seinen Plan, die Padbergsche Karte nachzudrucken, eigentlich verwirklicht? Sind irgendwelche Ausarbeitungen von ihm dazu erhalten?) Die ursprüngliche Kartenaufnahme dürfte zu einer Zeit erfolgt sein, als der eingezeichnete Galgen bei Trupbach noch in Betrieb war. Bis wann wurden eigentlich im Siegerland Hinrichtungen öffentlich vollzogen?

  9. Die Karte hat Güthling für den Siegerländer Heimatverein 1970 herausgegeben. Zwei Jahre zuvor erschien eine Karte des Fürstentums Siegen.
    Zum Galgen: Der ist in der Padbergschen Karte schon weit nach Trupbach verschoben, denn eigentlich lag er noch auf der Siegener Gemarkung, oberhalb des Weges nach Trupbach, vgl. dazu die Fürstentumskarte, genutzt worden ist der Galgen wohl nie, vgl. meine Diss., S. 151. Dort auch eine grobe Einschätzung des Zeitraums für letzte Hinrichtungen im Fürstentum Siegen, die m.W. noch alle in Netphen stattfanden. Die eingezeichneten Galgen und ihr Einsatzzeitraum geben also keine hinreichenden Hinweise zur Datierung der ursprünglichen Kartenaufnahme. Ich gehe davon aus, dass sie zwischen 1815 und Anfang 1817 geschah und die abschließende Zeichnung durch Padberg, wie in der Karte eingetragen, im Juli des Jahres erfolgte. So, jetzt wäre auch dieses Detail geklärt. Die Geschichte der Kartographie und des Vermessungswesen, sowie ein systematischer Vergleich mit anderen zeitgenössischen Karten (hoffentlich ebenso fehlerhaft, aber mit Erklärungen für die zeichnerischen Ungenauigkeiten) dürfte vielleicht weiterhelfen, um die noch offenen Fragen zu beantworten.

    • Die Herausgabe der Karte durch den Siegerländer Heimatverein 1970 wurde durch eine kurze Ankündigung im „Siegerland“ begleitet; dort heißt es zur Karte, dass diese von“Westfalen beauftragt“ worden sei. Für den Kartenforscher bedeutet dies wohl eine Durchsicht der Bestände des Arnsberger Regierungspräsidenten, vllt. sogar des westfälischen Oberpräsidenten im Landesarchiv in Münster, um den Entstehungszusammenhang der Karte zu ermitteln.
      Allerdings sollte man vorher im Bestand „Kreis Siegen, Landratsamt“ den Aktenband „Anfertigung eines Situationsplans vom Kreis Siegen“ (1816) auswerten; der Band kann im Stadtarchiv Siegen verfilmt eingesehen werden …..

      • Herrn Wolfs lobens- und dankenswerter Hinweis auf die Akte des Königlichen Landratsamtes Siegen Nr. 1 „Anfertigung eines Situationsplans vom Kreis Siegen (1816)“ verhilft zwar zu keinen weiteren Aufschlüssen über die von Friedrich Carl Padberg gezeichnete Kreis-Karte, aber dennoch zu interessanten Neuigkeiten und Fragen. Leider wird die Entdeckerfreude, wie so oft, durch das ganz unbefriedigende Ergebnis der Mikroverfilmung getrübt, wodurch die volle Ausschöpfung des Informationsgehaltes anhand dieses Ersatzmediums nicht möglich ist.
        In der nur neunseitigen, anscheinend nicht ganz vollständigen Akte geht es um eine Karte des Kreises Siegen, die ziemlich genau ein Jahr vor der Padbergschen entstand. Auslöser war hier ein Rundschreiben der Regierung Koblenz vom 21. Juni 1816, in welchem die Kreiskommissare (die Vorgänger der Landräte) zur Ablieferung von Karten ihrer Kreise aufgefordert wurden. In Siegen wandte sich deshalb Kreiskommissar Wolfgang von Schenck Anfang Juli [vorliegender Entwurf undatiert] gleichlautend an den Amtsvorsteher Dilthey in Burbach und an den Rat Dunker in Neunkirchen:
        „Von der Königlichen Regierung zu Coblenz habe ich den Auftrag erhalten, von dem mir anvertrauten Kreise sobald als thunlich einen vollständigen Situationsplan anfertigen zu lassen. Von dem hiesigen Fürstenthum ist derselbe bereits verfertiget. Es fehlet mir derselbe nun noch von dem Amte Burbach (Neunkirchen). Der Herr Landmesser Weiß von hier hat daher den Auftrag von mir erhalten den Situationsplan von dem Amte Burbach (Neunkirchen) ebenwohl anzufertigen. Derselbe wird sich in der Absicht dort einfinden. Ich ersuche daher den Herrn pp. [also Dilthey bzw. Dunker] denselben in der Vollziehung seines Auftrags möglichst zu unterstützen, und ihm insonderheit durch die dasigen Forstbedienten mit den nöthigen Notizen über die Kreis- und Gemeindegrenzen und sonstigen für ihn nöthigen Nachrichten an Hand gehen zu lassen.“
        Die Aufforderung an Landmesser Thomas Weiß zu Brauersdorf (Amt Netphen), sich wegen Entgegennahme des Auftrages „künftigen Montag den 8. dieses [Monats] Vormittags bey mir einzufinden“, war am 6. Juli abgegangen.
        Ein im Konzept vorliegendes Schreiben v. Schencks vom 20. November 1816 („abgesendet d. 22ten Nov.“) gibt Auskunft über die Erledigung des Auftrages:
        „K[öniglicher] Regierung habe ich die Ehre gehabt mittelst meines unterth[äni]g[en] Berichtes vom 4ten Oktober d. J. das für Hochdieselbe bestimmte Exemplar des von H[errn] Landmesser Weiß verfertigten Situationsplanes von dem Kreise Siegen zu übersenden. H. Landmesser Weiß hat mir nunmehr auch das für die hiesige Kreis-Commissions-Registratur bestimmte Ex[em]p[lar] übergeben und damit zugleich die hier in dupl[icate] anliegende Gebühren-Rechnung überreicht.“
        Fazit also: Im Sommer 1816 hatte Thomas Weiß eine Karte von Burbach/Neunkirchen angefertigt, die mit einer schon vorliegenden und vom Kreiskommissar für brauchbar befundenen Karte des übrigen Kreisgebiets vereinigt wurde. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass letztere zuvor auch schon von Weiß gezeichnet worden war, was sonst sicher explizit erwähnt worden wäre. Der Auftrag an den Brauersdorfer Geometer lautete, den von ihm selbst produzierten Burbacher/Neunkirchener Teil „demnächst mit der bereits von dem Fürstenthum Siegen existierenden Karte […] in ein Ganzes zu bringen“ (Notiz v. Schencks vom 1.8.1816). Ein Exemplar der Gesamtkarte ging Anfang Oktober 1816 nach Koblenz, ein zweites überließ Weiß im November der Siegener Kreisbehörde. Das erste Ex. könnte von der Regierung Koblenz nach dem Übergang des Kreises Siegen in den Regierungsbezirk Arnsberg zusammen mit den Akten dorthin abgegeben worden und somit später im Landesarchivs Münster gelandet sein, oder es verblieb an Ort und Stelle und gelangte (wenn es nicht verloren ging) ins Landesarchiv Koblenz. Das zweite Ex. hätte zusammen mit der alten landrätlichen Registratur, wenn alles rechtens gelaufen ist, auf jeden Fall seinen Weg nach Münster finden müssen. Ein Digitalisat dieser Weiß’schen (evtl. nicht namentlich signierten) Kreiskarte bietet anscheinend weder Münster noch Koblenz an, was aber nichts zu besagen hat. Es ist nicht auszuschließen, dass Recherchen vor Ort in den jeweiligen (noch) nicht digitalisierten Beständen Erfolg haben. Ein solcher ist den „Zeitspuren“-Autoren zu wünschen.
        Aus dem Amtsblatt der Kgl. Regierung zu Koblenz (Nr. 44 vom 8.12.1816, S. 356) ist zu erfahren: „Der Landmesser Thomas Weiß zu Brauersdorf ist [am 29. Oktober d. J.] in dieser Eigenschaft für den hiesigen Regierungs-Bezirk bestätigt und verpflichtet worden“. Das dürfte dafür sprechen, dass man in Koblenz mit seiner kürzlich eingereichten Kartierungs-Arbeit zufrieden gewesen war.
        Zur Würdigung Thomas Weiss‘ (1778-1861) siehe auch die Ausführungen Wilhelm Güthlings in: Geschichte des Netpherland, Netphen 1967, S. 275-277. Einige digitalisiert zugängliche Karten von seiner Hand aus dem Münsteraner Bestand sind mit Angabe der Autorschaft verzeichnet und somit über das Archivportal leicht auffindbar. Für Freunde des Siegener Tiergartens besonders attraktiv: Eine Serie von Aufnahmen des Domänenguts Charlottenthal 1818/19 (Karten-Nummern 5845 bis 5849 und 6426).

          • Da der Beruf des Geometers hier mit mehreren persönlichen Beispielen vorgestellt wurde, sei ein diesbezüglicher Blick in den Nachbarkreis Olpe erlaubt. Nach dem Übergang an Preußen, der im Falle des Kreises Siegen mit einer kurzzeitigen Zugehörigkeit zum Regierungsbezirk Koblenz in der Rheinprovinz und der endgültigen Zuordnung zu Arnsberg und der Provinz Westfalen verbunden war, begannen 1819 auch hier die Arbeiten am neuen, preußischen Grundkataster. Davon zu unterscheiden ist die im südwestfälischen Raum zwischen 1836 und 1842 durch das Militär und entsprechend ausgebildete Offiziere durchgeführte preußische Uraufnahme. Das Grundkataster bildete die Grundlage für spätere, nunmehr sehr genaue Kreiskarten. Im Kreis Olpe waren bis 1832 hauptsächlich drei Beamte mit diesen Vermessungsarbeiten beschäftigt, unter ihnen Gustav Stachelscheid aus Drolshagen. Er stammte aus der Familie des dortigen Bürgermeisters, der seinen drei Söhnen neben dem obligatorischen Besuch der Volksschule persönlich Privatunterricht erteilt hatte. Sein jüngerer Bruder Carl war später Amtmann in Drolshagen und in den Revolutionsmonaten 1848/49 Abgeordneter im Landtag in Berlin. Aus erhalten gebliebenen Unterlagen (Lebenslauf und Personalfragebogen) ist zu entnehmen, dass der ältere Bruder Gustav bei der Musterung fürs Militär wegen „Brustschwäche mit begleitendem Bluthusten als definitiv untauglich“ ausgemustert worden war. Er begann seine berufliche Laufbahn 1820 als „Kataster-Gehülfe“ und legte sein Feldmesser-Examen im April 1821 ab. Danach arbeitete er zunächst mehrere Monate als selbständiger Geometer, bis er 1822 von der Bezirksregierung Arnsberg als Kataster-Geometer fest angestellt wurde. Kurz vor Abschluss der Vermessungsarbeiten für das Grundkataster wurde er 1831 mit Nachvermessungsarbeiten im Kreis Siegen beauftragt. Nachdem das für seine Genauigkeit noch heute bewunderte preußische Grundkataster erstellt war, wechselte Gustav Stachelscheid im Mai 1837 erst auf die Stelle eines Steuerkalkulators im Kreis Meschede, bevor er als solcher dann ab dem September 1838 im Kreis Olpe tätig war. Der Berufswechsel lag nahe, da das Grundkataster bekanntlich die Basis der Grundsteuer-Erhebung bildete. (Vgl. zu diesem Beispiel Pfau, 200 Jahre Geschichte des Kreises Olpe, S. 34 f.)
            Das Olper Beispiel weist auf den nicht auf ein Kreisgebiet beschränkt gebliebenen Einsatz von Vermessungsfachleuten und natürlich auf die Anfänge eines neuen Typus technischer Fachbeamten hin – auf deren Arbeitsergebnisse heutige Vermessungs- und Liegenschaftsbeamte nicht selten noch zurückgreifen (müssen).
            Sobald das Thema der ersten Kreiskarten im Forschungsprojekt auf die Tagesordnung rückt, wollen wir die wertvollen Tipps und Anregungen von Peter Kunzmann, Bernd Plaum, Wilfried Lerchstein und Thomas Wolf gerne aufgreifen. Insbesondere die Hinweise auf Akten- und Literaturfunde werden dabei sehr hilfreich sein.

  10. Nur noch ein letzter Gedanke kurz nach Toresschluss: Könnte es sich bei der Karte um eine Prüfungsarbeit gehandelt haben? Die Examinierung junger Feldmesser schloss zweifellos auch den Nachweis der Befähigung zum Kartenzeichnen ein. Ist nur so eine spontane Idee …

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