Archivisches Sammlungsgut: Postkarten

Hoffnungslos veraltet oder wieder etwas Besonderes? LWL-Volkskundler untersuchen das Phänomen.

Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein, Sammlung Verlag Grobbel, Nr. 27


 „Wer schreibt denn noch Postkarten, wenn der Urlaubsgruß schneller und günstiger per SMS, Twitter oder Facebook erledigt werden kann? „Heute scheint nur noch die Taste für die 45cent-Briefmarke am Markenautomaten daran zu erinnern, daß es auch Postkarten gab“, schrieb jemand in einem Online-Forum.

Heute ist es selbstverständlich, auf Postkarten schöne Ansichten oder lustige Motive zu sehen, doch als die „Correspondenzkarte“ am 1. Juli 1870 von der Postverwaltung des Norddeutschen Bundes eingeführt wurde, war an ein Bildmotiv noch nicht zu denken. „Postkarten stellten zunächst einmal ein kostengünstiges Medium für kurze Mitteilungen dar“, erläutert Anna Maria Löchteken, die den Postkarten bei der Volkskundlichen Kommission des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) nachgespürt hat.

Die Postkarte war ab dem ersten Tag ihrer Einführung ein Verkaufshit und wurde in allen Bevölkerungsschichten schnell bekannt, als im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 die Feldpost-Korrespondenzkarte portofrei in die Heimat befördert wurde. Auch nach Kriegsende war die Beliebtheit ungebrochen, da nur die Hälfte des Briefportos zu entrichten war.

Mit dem Aufkommen bebilderter Postkarten gewannen die Karte nochmals an Popularität. Die ersten (selbst) illustrierten Karten sind schon für das Jahr 1870 bekannt, offiziell wurden Bildpostkarten/Ansichtskarten aber erst Mitte der 1890er Jahre von den Postverwaltungen zugelassen. Zuvor empfand man es als unangebracht, Karten mit Bildern zu verschicken. Da die Rückseite der Postkarte bis 1905 nur mit der Adresse beschriftet werden durfte, reichte der Platz auf der Bildseite kaum für mehr als einen kurzen Gruß. „Einige geschickte Schreiber schafften es aber dennoch, noch verhältnismäßig umfangreiche Mitteilungen rund um das Bild unterzubringen“, so Löchteken.

Ab der Jahrhundertwende gehörten Fotopostkarten fest zum touristischen Reiserepertoire, da breite Bevölkerungsschichten auf diese Weise in der Lage waren, ihren Urlaubsaufenthalt zu präsentieren. Diese Erfahrung machte auch der Schriftsteller Hans Fallada beim Familienurlaub in seiner Jugend zu Beginn des 20. Jahrhunderts: „Ansichtspostkarten mußten geschrieben werden, an jeden erdenklichen Bekannten und Verwandten. Sie waren ein Beweis, daß man in einer Sommerfrische gewesen war, und im übrigen schickte sich dieser Gruß aus Ferientagen.“

Auch die Westfalen grüßten fleißig von den verschiedensten Ausflugszielen, Städten oder Denkmälern. Da während der Blütezeit der Bildpostkarte zwischen 1895 und 1914/18 nahezu jedes Motiv auf Postkarten gebannt wurde, gab es unzählig viele Möglichkeiten Freunde, Bekannte und Verwandte an der eigenen Unternehmungslust teilhaben zu lassen.

Die Postkarte hält sich schon über 140 Jahre, hat aber in den vergangenen Jahrzehnten einen starken Einbruch zu verzeichnen. Wurden 1954 noch 920 Millionen Karten verschickt und vor 30 Jahren immerhin noch 877 Millionen, haben mittlerweile neue Medien wie Internet und Mobiltelefon zu einem drastischen Rückgang geführt. Nach Angaben der Deutschen Post beschränkt sich die Versendung privater Postkarten heute eher auf das Saisongeschäft im Sommer sowie zu Ostern und Weihnachten. Insgesamt wurden im Jahr 2011 in der gesamten Bundesrepublik nur noch zirka 162 Millionen Karten verschickt.

Trotzdem: Mag die Allgemeinheit durch soziale Netzwerke vom Urlaubsaufenthalt erfahren, die wirklich engen Freunde erhalten eher einen postalischen und damit besonderen Gruß, ergab eine Zeitungsumfrage bei Internetnutzern.“
Quelle: LWL-Pressemitteilung, 3.8.2012

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