Lothar Irle und der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Teil 2.

Eine Aktenauswertung.

Im September wurde hier auf siwiarchiv über die beabsichtigte Verleihung des Verdienstordens an Dr. Lothar Irle berichtet. In einem Kommentar wurde auf die einschlägigen Ordensakten im Landesarchiv NRW, Abt. Rheinland, noch in Düsseldorf (NW O 07379 und NW O 07379) hingewiesen. NW O 07379 besteht lediglich aus einem Blatt, dass die Abgabe der Ordensakten an das damalige Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf beinhaltet.
NW O 07379 enthält den 15 Blatt umfassenden Vorgang, der in der Staatskanzlei geführt wurde. Aus dem Antragsschreiben des Vorsitzenden Karl Jellinghaus des Sauerländer Gebirgsvereins vom 14. Januar 1966 an den Arnsberger Regierungspräsidenten Ernst Schlensker sei hier die Begründung – mit Ausnahme der Aufstellung der Publikationen Irles – wiedergegeben:
„Dr. Irle ist seit Jahrzehnten ein eifriges, altives Mitglied des SGV. Im Jahr 1947 wurde er z. B. Kulturwart der Abteilung Ferndorf-Kreuztal, 1948 ihr Vorsitzer. Im Frühjahr 1952 wurde er Bezirksvorsitzer, ist also bereits rund 15 Jahren der Vorsitzende des Bezirks Siegerland.
Der Bezirk Siegerland hat 25 Abteilungen mit rund 3.000 Mitgliedern. Er unterhält 7 eigene Hütten, darunter der neue Kindelsberg mit Aussichtsturm. Der Bezirk betreut 180 km Wanderwege und zusätzlich unseren eigenen Naturschutzgebiete, ebenfalls tätige Mitarbeit am „Naturpark Rothaargebirge“ und bei den Ausgrabungen auf der Ginsburg. Die Lahnquelle wurde vom Beizirk gefasst.
Dr. Irle ist außerdem seit 1962 Vorstandsmitglied des Siegerländer Heimatvereins und Leiter der von ihm 1963 gegründeten familienkundlichen Arbeitsgemeinschaft dieses Vereins mit allmonatlicher Zusammenkunft. Ferner ist Dr. Irle Mitglied des Kuratoriums des Siegerländer Heimatmuseums. ….
Es dürfte hier klar ersichtlich gemacht sein, daß hier nach dem Zusammenbruch 1945 von Dr. Irle nach Art und Umfang eine so außergewöhnliche Leistung erbracht worden ist, die nur aus staatsbürgerlicher Treue und Verantwortung für den neuen Staat und seine demokratische Ziele aus der inneren Haltung heraus verstanden werden können. Das ist dem Unterzeichneten auch durch jahrelange Zusammenarbeit bekannt. Nur daruas erfolgt aus meiner Initiative heraus der Vorschlag.
Es erscheint gerichtfertigt, in diesem Falle mit Rücksicht auf diese wirklich außergewöhnlichen Verdienst[e] um die Heimat mit seinen Ausstrahlungen auf das Gesamtklima in Staat und Gesellschaft, Dr. Irle das m. E. wohlverdiente Bundesverdienstkreuz 1. Klasse zu verleihen.
Mit Rücksicht auf das 75-jährige Bestehen des SGV – Dr. Irle ist seit vielen Jahren auch ständiges Mitglied des Hauptvorstandes – Mitte Juni in Fredeburg würde der SGV es dankbar begrüßen, wenn bis dahin die Verleihung ausgesprochen werden könnte, um ggf. die Übergabe der erbetenen Auszeichnung aus dem genannten Anlaß dann vornehmen zu können. Dies würde sicherlich von der großen Versammlung der Wander- und Heimatfreunde zugleich als Dank und Anerkennung für die 75-jährige Arbeit des Gesamt-SGV gut verstanden werden.“

Am 7. April 1966 leitet das Regierungspräsidium Arnsberg das Schreiben an das Ministerium für Landesplanung, Wohnungsbau und öffentliche Arbeiten des Landes mit u. a. folgenden Bemerkungen weiter:
“ …. Da der Vorgeschlagenen jedoch erst 60 Jahre alt ist, halte ich es mit Rücksicht auf Buchstabe A Ziffer 1 der Sperrrichtlinien für angebracht, die Auszeichnung bis zum Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst zurückzustellen. …. Das Landesamt für Verfassungsschutz habe ich bereits beteiligt.“
Am 18. Mai 1966 erfolgte eine leicht irritierte Stellungnahme des Wohnungsbauministerium an das aus dessen Sicht zuständige Kultusministerium: “ …. Dr. Irle ist hier bei den Vorbereitungsarbeiten für den Naturpark Rothaargebirge oder bei dessen jetzigem Ausbau nicht in Erscheinung getreten. ….“
Wenige Tage darauf, am 1. Juni 1966, erreichte eine weitere, diesmal hausinterne Stellungnahme das zuständige Referat M 3 der Staatskanzlei: „Herr Dr. Lothar Irle ist nach Auskunft des Stadtarchivs und des Heimatmuseums Siegen einer der bekanntesten und vedienstvollsten Heimatgeschichtsforscher und Kulturhistoriker des Siegerlandes. Er gilt als der maßgebliche Volkskundler dieses Raumes. Vom fachlichen Standpunkt aus wird der Antrag befürwortet. ….“
Das Kultusministerium legte eine betont sachliche Aiskunft am 6. Juni 1966 vor: “ …. Die Verdienste von Herrn Dr. Irle stehen in keinem Zusammenhang mit seinem Amt. Es gelten somit für ihn die gleichen Grundsätze wie Angehörige freier Berufe (Kurzprotokoll v. 12.6.63, S. 5). Es bestehen demnach keine Bedenken, Herrn Dr. Irle schon jetzt für eine Ordensauszeichnung vorzuschlagen. ….“
Am 18. September 1966 vermerkte das Referat M 3 jedoch abschließend: „Die Überprüfung der Ordensanregung durch das Landesamt für Verfassungsschutz hat eine erhebliche politische Belastung von Herrn Oberstudienrat z. Wv. Dr. Lothar Irle aus der Zeit des Dritten Reiches ergeben. Der Chef der Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 12.9.1966 …. deshalb von der Weiterleitung eines Ordensvorschlages an das Bundespräsidialamt abgesehen. ….“
Ob es noch die Verfassungsschutzinformationen über Dr. Irle gibt?

2 Gedanken zu „Lothar Irle und der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Teil 2.

  1. Pingback: Thomas Wolf: Lothar Irle (1905 – 1974). | siwiarchiv.de

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