Der Unterschied (?) zwischen Archiven und Museen – ein regionales Archivzitat:

„Ein Museum ist kein Archiv und kein Aufbewahrungskasten. Es soll ein sozialer Ort sein.“
Ann-Katrin Drews, Volontärin im Museum für Gegenwartskunst Siegen, in: Westfälische Rundschau, 6.3.2018

Ein Gedanke zu „Der Unterschied (?) zwischen Archiven und Museen – ein regionales Archivzitat:

  1. Eine tolle Geschichte. „Neue Formate zur Vermittlung fern alter Vorurteile“. Oder: „Für diverse Vorurteile wird die Luft dünn.“ Das schlägt ein. Damit kann man für Furore sorgen und neue Wege der Kunstvermittlung asphaltieren. Hehre Ziele, die in dieser Wortwahl aber nur stereotype Klischees bedienen und die implizieren: Archive sind staubtrockene, spröde, altbackene „Aufbewahrungskästen“. Nur Museen dürfen nach dieser Lesart also Verve versprühen, den kulturellen Dialog fördern, Fachinformationen vermitteln oder „Formate für viele Zielgruppen“ anbieten – möglichst „[…] in unverkrampfter, freier Atmosphäre“. Frau Drews meint, nicht ganz zu Unrecht natürlich, ein Museum solle auch ein sozialer Ort sein. Allerdings: Sind Archive keine sozialen Orte? Eine eindimensionale Sichtweise, die angesichts der vielfältigen Herausforderungen, denen sich Archive zu stellen haben, Befremden hervorruft. Ja, auch Archive sind im 21. Jahrhundert angekommen, verbarrikadieren sich nicht in einem imaginären Elfenbeinturm (sind also keine „elitären Häuser“) und sind längst multifunktionale Dienstleister. Für Historiker, für Genealogen, für kooperierende Kulturinstitute, für Anfragen aus der Verwaltung und Politik, für Studierende und Schulklassen. Für alle Bürgerinnen und Bürger, für alle Besucherinnen und Besucher, die sich mit Fragen der regionalen und lokalen Geschichte beschäftigen und das ganze Spektrum individueller Interessen und Fragestellungen mitbringen. Wahrlich, ein Standardrezept dafür gibt es nicht, das hat augenscheinlich auch die Volontärin des Museums für Gegenwartskunst erkannt. Individuell werden auch in Archiven im Rahmen persönlicher Gespräche gewünschte Informationen zur Verfügung gestellt, Betrachtungsweisen ausgetauscht und Lösungsvorschläge unterbreitet. Als ob das ein Alleinstellungsmerkmal für Museen wäre! Man gestatte mir den Hinweis auf das Stadtarchiv Siegen, das als anerkannter „Bildungspartner NRW“ zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Schulen fördert, damit Kinder und Jugendliche – ganz unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und kulturellen Prägung – von dem außerschulischen Lernort „Archiv“ profitieren können. Archivpädagogische Maßnahmen, Workshops und Seminare unterstreichen die generationsübergreifende, soziale Komponente des „Aufbewahrungskastens“. Dann die Veranstaltung des „Siegener Forums“, in dem Vorträge und Themen (übrigens auch zu kunstgeschichtlichen Aspekten) angeboten und zur Diskussion gestellt werden. Je nach thematischem Schwerpunkt werden sogar Personen angesprochen und zum Meinungsaustausch eingeladen, die bislang eher selten ein Archiv aufgesucht haben. Die Organisation und Realisierung von Ausstellungsprojekten. Das gemeinsam mit der Geschichtswerkstatt Siegen im Jahr 2016 erfolgreich im Siegerlandmuseum im Oberen Schloss konzipierte Projekt „Siegen an der ‚Heimatfront‘ 1914-1918: Weltkriegsalltag in der Provinz“ mit begleitendem Rahmenprogramm für Schülerinnen und Schüler, mit einem didaktischen Konzept, das alle Altersgruppen berücksichtigen sollte. Man lese und staune: auch Archive kauen keine Interpretationen vor, stellen sich bohrenden Fragen und verschließen nicht die Augen vor der gesellschaftlichen Entwicklung, ja sind in gewisser Hinsicht ja sogar ein Abbild des Wandels!

    Übrigens steht das Stadtarchiv Siegen auch bei Fragen wie etwa zum Rubenspreis der Stadt Siegen zur Verfügung, nicht nur dem Museum für Gegenwartskunst und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dafür sind sie dann gut genug – die tristen „Aufbewahrungskästen“.

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